Aglaophyton: Aufwärts-Bogen und Querschnitte
Was gibt es Neues im Rhynie Chert ?
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Neuere Forschungsergebnisse zum Rhynie Chert sind in Zeitschriften und im Internet zu finden [1,2]. Eine Sonderausgabe der Proceedings of the Royal Society Edinburgh [3] ist die größte Zusammenstellung diesbezüglicher Ergebnisse in einem Band, mit umfangreichen Bezügen zu früheren Arbeiten. Große Mengen Chert aus früheren Grabungen, die im Museum of Natural History, London, lagern, werden nun untersucht.   
Eine sehr schöne und informative Zusammenstellung neuerer Ergebnisse mit 72 Farbbildern ist in niederländischer Sprache vorhanden [4].

Bild: Aufwärts-Bogen von Aglaophyton. Die Orientierung erkennt man an mehreren Chalzedonbändern in früheren Gasblasen (eine große rechts unten), die später mit Wasser gefüllt waren. Die leicht unterschiedlichen Orientierungen deuten auf Bewegungen während der Verkieselung hin. 

Gegenwärtig wird die Entwicklung der Paläobotanik manchmal durch umständliche Publikationsverfahren gebremst: Gewöhnlich muss ein Beitrag inhaltsschwer und professionell sein, um zur Veröffentlichung angenommen zu werden. Das verhindert einen schnellen Austausch von Informationen und Ideen. Die Begutachtung der Manuskripte durch Experten erfüllt nicht immer ihren Zweck, Irrtümer zu vermeiden. Dafür werden einige erstaunliche Beispiele angegeben.

Erfreulicherweise ist das Internet ein Mittel, solche Hindernisse zu umgehen. R. Kretzschmar (damals Hobby-Paläontologe, dann Naturkunde-Museum Chemnitz) konnte mit seiner "kieseltorf"-Website [5] Mitteilungen über Hornsteine und deren Fossilien schnell verbreiten. Das bot eine Gelegenheit, ab 2003 neue Erkenntnisse aus eigenen Funden vorzustellen, und regte dazu an, ab 2010 diese "chertnews"-Website zu schaffen, mit Rhynie Chert als Schwerpunkt. Bedauerlicherweise hat
R. Kretzschmar seine Tätigkeit im Museum beendet und seine erfolgreiche "kieseltorf"-Website 2017 gelöscht. Ein Beispiel seiner Aktivitäten wird in Fossil Wood News 15 beschrieben.

Jeder der nummerierten Beiträge zu Rhynie Chert News basiert auf eigenen Fundstücken (mit wenigen Ausnahmen) und soll etwas mehr oder weniger Neues bieten. Die meisten Neuigkeiten sind nur winzige Teile zum großen Puzzle der Paläontologie, aber einige haben größere Bedeutung. Die neuen Funde und die daraus abgeleiteten Erkenntnisse sind hier nach Themen geordnet.

Nematophyten
Als Beispiel sei die seltsame kleine Kugel Pachytheca erwähnt: früher für eine Grünalge gehalten, jetzt zusammen mit Nematophyten unter "Rätselhafte Organismen" eingeordnet [6], niemals zuvor als gut verkieseltes Fossil beschrieben. So ist das hier beschriebene Exemplar von Rhynie nützlich für Vergleiche mit den häufigen kohlig erhaltenen Exemplaren von anderen Fundstellen.
Einige wenige Funde anderer "Rätselhafter Organismen" geben Antworten auf alte Fragen und stellen neue, oder sie helfen beim Aufdecken alter Irrtümer. Der Nematophyt Nematoplexus, bekannt für seine schraubenförmig gewundenen Röhren, zeigt sich mit anderen Maßen und Formen. Die oft zitierte Deutung, dass die Röhren in den rätselhaften "Verzweigungsknoten" wachsen und sich verzweigen, ist nicht richtig. Anscheinend entstehen die Röhren an deren Oberfäche.  

Viele (oder alle ?) Nematophyten bestehen aus einem Gelklumpen, der die Röhren zusammenhält und bei Trockenheit Schutz vor Austrocknen bietet. Manche Nematophyten haben "Lichtungen im Dickicht" von Röhren mit ungewöhnlich großem Durchmesser von 50-60-(70)µm.
Eine Ansammlung von Röhren mit Wandstruktur, ähnlich oder gleich 
Nematothallus pseudo-vasculosa, bisher nur als Kompressionsfossil bekannt, wurde auch im Hornstein gefunden.    
Für einen kleinen flachen Nematophyten mit Oberflächenschicht ergab sich kürzlich eine unerwartete mögliche Deutung als Pilz [10].

Landpflanzen
Die eingerollte Spitze der seltensten "Höheren Pflanze" im Rhynie Chert, Ventarura, ist die einzige bisher gefundene und wird in jeder Rekonstruktion der Pflanze zu berücksichtigen sein. Ein auffälliges koaxiales Rohr in den oberen Teilen von Ventarura, angeblich eine versteifende Komponente aus Sklerenchym, ist keine solche.
Die angeblichen Riesenzellen in der Epidermis von Nothia sind röhrenförmige Hohlräume, gebildet durch gezieltes Auflösen zahlreicher Zellwände, wahrscheinlich um als Behälter für widerliche Flüssigkeit zu dienen, die Pflanzenfresser abschrecken soll.
Ein bei jetzigen Pflanzen weit verbreitetes Mittel der Abwehr, Borsten und Stacheln, war bekanntlich schon von der "haartragenden Pflanze" Trichopherophyton erfunden worden, was kein einfacher evolutionärer Weg war. Deshalb ist es besonders bemerkenswert, dass diese Pflanze anscheinend zwecks mechanischer Abwehr verschiedenartiger Fressfeinde Auswüchse der Epidermis mit unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften entwickelt hat: kurze steife Borsten (viele) und lange biegsame Haare (wenige).
Auch von der häufigsten Rhynie-Pflanze, umbenannt von Rhynia major zu
Aglaophyton major, ist Neues zu berichten: Der wellenartige Wuchs ergab sich nicht, wie zuvor angenommen, aus einer wiederholten Folge von aufrechtem Wachsen und nachfolgendem Umfallen des Sprosses, sondern aus der Fähigkeit des aufrechten Sprosses, in kleinem Bogen nach unten zu wachsen und dort die Richtung umzukehren, wie hier im Bild . (Die Berechtigung für die bedauerliche Umbenennung ist ernsthaft bezweifelt worden [7]).

Grünalgen
Mit einem Fundstück von 2013 haben die schon im Devon verbreiteten Charophyten eine Überraschung geliefert (2015). Es ist wahrscheinlich eine urtümliche Art, deutlich verschieden von allen bisher bekannten lebenden und fossilen Charophyten, überkommen aus Zeiten, als die Charophyten noch nicht die typischen Gyrogoniten entwickelt hatten. Diese urtümlichen Charophyten liegen nun hier in mehreren Fundstücken vor. Spezialisten für Charophyten wundern sich über die Abwesenheit von Gyrogoniten im Rhynie chert, sind aber bisher nicht bereit, die einfache Erklärung, belegt durch Fossilien, zur Kenntnis zu nehmen [9].
Ein anderer unbekannter Charophyt erinnert an
Coleochaete, einen möglichen Vorläufer der Landpflanzen.
Von minderer Wichtigkeit ist wahrscheinlich die Entdeckung einer neuen fadenförmigen Grünalge.

Gelbgrün-Alge (Xanthophyt)
Eine der letzten Entdeckungen (2014) betrifft mm-große Blasen, entweder mit zahlreichen Zellkernen oder leer, auffallend ähnlich der jetzigen Gelbgrün-Alge Botrydium und damit wahrscheinlich das erste Fossil einer Gelbgrün-Alge (abgesehen von einem fraglichen Fund im Proterozoikum).   

Braunalge (?)
Kürzlich wurde ein zentimetergroßes beutelförmiges Pflänzchen gefunden, das nicht zu den anderen Pflanzen zu passen scheint und an die Braunalge Laminaria erinnert.

Blaualgen

Die fadenförmige Blaualge Croftalania hat sich beim Zusammenlagern zu komplexen Strukturen als überraschend vielseitig erwiesen, was von diesen primitiven Mikroben nicht zu erwarten war. Die großen auffälligen Gebilde wurden 2007 erstmals beschrieben [11], waren aber sicherlich lange zuvor bekannt. 

Tiere
Auch neue Funde der bekannten spinnenartigen Trigonotarbiden haben neue Erkenntnisse geliefert. Ein ungewöhnlich großer Trigonotarbid war zufällig nahezu
parallel und ein wenig versetzt zur Mittelebene geschnitten worden, so dass die zwei rechten Buchlungen zu sehen sind, was ein sehr seltener Anblick ist.
Öfter als erwartet findet man zwei Trigonotarbiden (oder deren Häutungsreste) nahe beieinander, was nach einer Erklärung verlangt.
An
ordnungen von Haaren an den Fresswerkzeugen der Trigonotarbiden ermöglichen den Umgang mit verflüssigter Nahrung ohne direkten Kontakt mit dem Körper. Dieser Vorteil ist vermutlich wichtiger als die Wirkug der Haare als Filter.
Das Rohr im Kleinkrebs Ebullitiocaris ist nicht der Darm, sondern wahrscheinlich der rudimentäre hintere Teil des Körpers.
Das Highlight unter den Entdeckungen ist eine ganz unerwartete dramatische Szene, eine Momentaufnahme des Lebens in den flachen Randgewässern der heißen Quellen nahe Rhynie vor 400 Millionen Jahren, mit dem weitaus ältesten jemals gefundenen Rädertierchen, gefangen durch schnelle Bildung von Kieselgel während des Überfalls auf eine unbekannte kugelförmige Blaualge (?).

Pilze
Der Hornstein von Rhynie ist auch für die Vielfalt an Pilzen bekannt [8], meist als Hyphen vorliegend. Einige sind noch nicht beschrieben worden. Erwähnenswert sind ein ungewöhnlicher Chytrid und 
auffallend krumme und welligen Hyphen, wahrscheinlich die ersten fossilen Belege eines Mycoparasitismus, wie er von der rezenten Gattung Trichoderma gut bekannt und erforscht ist und zur Bekämpfung schädlicher Pilze an Nutzpflanzen kommerziell genutzt wird.

Es ist beabsichtigt, die Serie Rhynie Chert News fortzusetzen, solange die Auswertung der Funde Neues liefert.

H.-J. Weiss       2005,  geändert und ergänzt 2010, 2011, 2014, 2016, 2017, 2019, 2020,   umgeordnet 2020, ergänzt 2021.

[1]  www.abdn.ac.uk/rhynie  (bis 2004)
[2] 
Google: Rhynie research index Muenster  (bis 2000)
[3]  N.H. Trewin, C.M. Rice (eds.): The Rhynie Hot Spring System.  Trans. Roy. Soc. Edinburgh, Earth Sci. 94(2004 for 2003), Part 4.
[4]  H. Kerp, H. Hass : De Onder-Devonische Rhynie Chert.  Grondboor & Hamer 58(2004), 33-51.
[5]  www.kieseltorf.de     (2017 gelöscht)
[6]  T.N. Taylor, E.L. Taylor, M. Krings: Paleobotany, Elsevier 2009.
[7]  Dianne Edwards : A review of the sporophytes of embryophytes in the cherts at Rhynie,
      Trans. Roy. Soc. Edinburgh, Earth Sciences 94(2004 for 2003), 397-410.
[8] T.N.Taylor, M. Krings, E.L. Taylor: Fossil Fungi, Elsevier 2015.
[9]  M.
Feist: Comment on Manuskript (2019)

[10]  R. Honegger, D. Edwards, L. Axe, Ch. Strullu-Derrien: Fertile Prototaxites taiti: a basal ascomycete with inoperculate, polysporous asci lacking croziers.
      Phil.Trans. Roy. Soc. B 373 (2017): 20170146.

[11] M. Krings, H. Kerp, H. Hass, T.N. Taylor, N. Dotzler: A filamentous cyanobacterium showing structured colonial growth from the Early Devonian Rhynie chert.
      Rev. Palaeobot. Palyn. 146(2007), 265-276.

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