Devonische Alge ähnlich Coleochaete

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Jede fossile Alge, die irgendwie ähnlich zu Coleochaete ist, verdient Beachtung, und das aus zwei Gründen: Die kleine Süßwasseralge Coleochaete gilt als engste Verwandte der frühesten Landpflanzen, der Vorfahren aller heutigen "Höheren Pflanzen", und wurde niemals als Fossil gefunden.
Eine unterdevonische Alge mit dem hier gezeigten ungewöhnlichen Aussehen zeigt einige Merkmale, die auch bei einer Art von Coleochaete vorhanden sind, die ausführlich von Oltmanns [1] beschrieben wurde:
(1) verzweigende Fäden, die aus einer gemeinsamen Basis wachsen, die an einer Unterlage sitzt,
(2) am Ende mancher Zweige kugelige Kapseln, die sich zu Bechern öffnen können,
(3) dunkle Einschlüsse in den Zellen: wahrscheinlich Zellkern und ein großer länglicher Chloroplast.

Devonian alga 1Devonian alga drawing
Fig.1: Devonische Algen in Rhynie Chert, ein Exemplar links an einer Unterlage sitzend und nahe der Basis verzweigend. Bildbreite 2.8mm, Balken 0.25mm.
Kleines Bild rechts oben: Süßwasseralge Coleochaete pulvinata zum Vergleich, gleicher Maßstab. Fotos: Hagen Sahm (Dresden).

Hier sitzt ein am Grunde verwachsenes Bündel von Algenfäden (Abb.1) an einem stark zerfallenen Spross einer Landpflanze der Rhynie-Flora, die anscheinend überflutet worden war. Was in Abb.1 oben wie eine teilweise umhüllte Kapsel ausieht, könnte eine zufällig entstandene Struktur sein, aber die Gebilde mit becher-artigem Aussehen rechts unten sind höchst merkwürdig. Vier davon sieht man etwas höher vergrößert in Abb.2.
Devonian alga with cup-like forms
cup with granular content on alga in Rhynie chert
Abb.2: Devonische Alge mit becher-artigen Strukturen. Gleiches Fundstück wie in Abb.1. 

Abb.3: Devonische Alge, körnige Struktur im "Becher". Ausschnitt aus Abb.2.

Die Wand der merkwürdigen Gebilde mit becher- artigem Aussehen ist außen glatt und nach innen gebeult, was man an den zwei leeren Bechern rechts unten sieht. Die polygonale Struktur in Abb.3 legt eine Deutung als sporogenes Gewebe nahe, wie es von den dickwandigen "Zygotenfrüchten" oder Sporenkapseln von Coleochaete bekannt ist.
Eine Deutung dieses Fossils als nahe verwandt mit Coleochaete, beruhend sowohl auf Wunschdenken als auch auf verblüffenden Ähnlichkeiten, ist durch Abwägen der Argumente und Gegenargumente zu hinterfragen.
Der auffällige Größenunterschied ist hier nicht relevant, weil Zellengrößen aus verschiedenen Gründen potentiell veränderlich sind, wie z.B. infolge des verbreiteten Phänomens der Polyploidie. Die 400 Millionen Jahre zwischen diesem Fossil und Coleochaete löschen nicht notwendig alte Merkmale aus, wie man von der Alge Nitella weiß, die der unter-devonischen Palaeonitella sehr ähnlich ist. (Siehe Rhynie Chert News 10.) Folglich könnte die Sporenkapsel von Coleochaete homolog zu den runden Gebilden dieses Fossils sein.
Als Argument gegen diese Deutung kann die Ähnlichkeit zwischen Abb.1 und frühen Wachstumsstadien von Palaeonitella dienen, die noch nicht die typischen Quirle ausbilden, sondern am Grunde unregelmäßig verzweigen. Außerdem ist bekannt, dass Palaeonitella -Zellen durch Pilzbefall kugelig aufgebläht werden [2]. Was man hier sieht, könnte demnach ein frühes Stadium von Palaeonitella mit deformierten Zellen sein. Dagegen spricht jedoch die polygonale Struktur in einem der Becher, die wie ein Gewebe aussieht, was nicht zu der Deutung passt, es sei nur eine aufgeblähte Zelle. Somit bleibt dieses Fossil rätselhaft, und falls es wirklich Coleochaete nahe steht, kann es zu einem besseren Verständnis der Abstammung der Landpflanzen beitragen.
Anmerkung 2015: Unter den zahlreichen Rekonstruktionen der Landpflanzen aus Silur bis Unter-Devon, die als Cooksonia [3] zusammengefasst wurden, gibt es wenige mit becherförmigen Objekten, die denen in den obigen Bildern auffallend ähnlich sind. Deshalb ist die Deutung dieser Pflanze als Cooksonia-Art eine weitere Möglichkeit. Obwohl dieser Name, phylogenetisch betrachtet, nur eine wenig informative Bezeichnung wäre, könnte er zumindest andeuten, dass das vorliegende Fossil weder
Palaeonitella noch Coleochaete nahe steht. Das Fehlen jeglicher Zellstruktur in den Rekonstruktionen von Cooksonia mag darin begründet sein, dass Cooksonia immer als Kompression gefunden wurde, aber niemals in Hornstein.    

H.-J. Weiss      2012        2015   2019   2020

[1]  F. Oltmanns: Morphologie und Biologie der Algen, Gustav Fischer Verl. Jena 1922.
[2]  T.N. Taylor et al.: Paleobotany. Elsevier 2009. p.102.
[3]  H. Steur: steurh.home.xs4all.nl
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