Unter den zahlreichen kreisförmigen Querschnitten der bekannten
Pflanzen der Rhynie-Flora aus dem Unter-Devon, die man gewöhnlich auf
polierten Schnittflächen des Rhynie-Hornsteins sieht, zeigte
sich unerwartet ein einziger ganz anderer (Abb.1): Statt der üblichen
Zellstruktur mit zentralem Leitbündel sieht man radial angeordnete
Röhren, weshalb es kein Querschnitt eines Sprosses oder Rhizoms sein
kann. Es ist der Querschnitt einer 3.8mm großen Kugel, die zufällig
genau durch die Mitte geschnitten wurde.
Fossile Kugeln dieses Typs,
Pachytheca genannt,
sind in kohliger Erhaltung seit
langem von mehreren Fundstellen in Sedimenten des Ober-Silur bis
Unter-Devon bekannt [1],
wurden aber anscheinend niemals verkieselt in Hornstein
gefunden.
Abb.1: Querschnitt der rätselhaften Kugel Pachytheca,
3.8mm, bestehend aus
radial
ausgerichteten Röhren. Fotos: H. Sahm.
Risse dringen nicht ein, sondern werden entlang der
Oberfläche
umgelenkt, was auf eine möglicherweise wachsartige Oberflächenschicht
hindeutet. Das gewöhnlich im Innern vorhandene Gewirr krummer Röhren
ist hier nicht mehr erhalten.
Fundstück: Rh11/1.1, (2003).
Abb.2: Querschnitt von Pachytheca,
Ausschnitt von Abb.1.
Man beachte die scharf begrenzte glatte Oberfläche, die konzentrischen
Bänder darunter, und die gegabelten Röhren.
In alten Veröffentlichungen gibt es zur Deutung von Pachytheca
wilde Spekulationen. Später hielt man Pachytheca
für einen Fehlversuch der Grünalgen, das Festland zu besiedeln. Diese
Deutung erschien vernünftig, da der Bauplan für minimalen Wasserverlust
optimiert ist, erwies sich aber anscheinend als nicht haltbar, weshalb Pachytheca
dann vorsichtiger unter "Rätselhafte Pflanzen" eingeordnet wurde. Da Pachytheca
einige Merkmale der Nematophyten aufweist, die noch vorsichtiger jetzt
als "Rätselhafte Organismen" bezeichnet werden, ist die kleine Kugel
nun dort eingeordnet [2], was die Sache noch faszinierender macht.
Bei so viel Unsicherheit scheint wenigstens
eines sicher zu sein: Pachytheca
ist ein Landlebewesen. Das wird durch Risse im vorliegenden Fundstück
bestätigt: Zur Kugel hin laufende Risse dringen nicht ein,
sondern werden längs der Oberfläche umgelenkt. Daraus kann man
schließen, dass die Oberfläche eine Fläche niedriger Bruchzähigkeit
im Chalzedon ist, wie sie oft bei verkieselten Landpflanzen zu
beobachten ist, die gegen Austrocknen durch eine wachsartige Schicht
oder Kutikula geschützt sind.
So wie bei anderen Nematophyten sind die Röhren nicht
in Zellen unterteilt (Abb.2). Man sieht hier deutliche Gabelungen, ein
Merkmal, das bei anderen Nematophyten kaum in Erscheinung tritt.
Abb.3: Querschnitt von Pachytheca,
Ausschnitt von Abb.1.
Man
beachte die scharf begrenzte glatte Oberfläche, die geraden oder
gegabelten Röhren, und die Schadstellen unterhalb des Randes,
wahrscheinlich Löcher im Gel zwischen den Röhren.
Die dicke Lage auf der Oberfläche ist wahrscheinlich eine
Mikrobenschicht.
Die
blassen konzentrischen Streifen sehen stellenweise (besonders in Abb.2)
so aus, als seien sie nicht eine Eigenschaft der Röhren, sondern der
Zwischenräume. Die Streifen und die Schadstellen in Abb.3 könnten auf
Gel
zwischen den Röhren hindeuten.
Das wäre der erste Beleg dafür, dass Pachytheca
mit Gel gefüllt ist. Andere Nematophyten im Rhynie Chert lassen sich
ebenfalls als Gel mit eingelagerten
Röhren oder Fäden deuten. Gel in Pachytheca
passt demnach
zur Deutung als Nematophyt. Außerdem wird damit die glatte Oberfläche
verständlich, und die konzentrischen Bänder können als alte
überwachsene
Oberflächen
des Gels gedeutet werden und damit als Zuwachsringe, eigentlich
Zuwachskugeln in diesem Falle.
Auch mit den Erkenntnissen aus diesem gut
erhaltenen Exemplar bleibt Pachytheca einer
der rätselhaften Organismen.
H.-J. Weiss 2004,
geändert 2010
[1]H.
Steur:Pachytheca,
a strange, vegetable little sphere.http://www.xs4all.nl/~steurh/
[2] T.N. Taylor,
E.L.
Taylor,
M. Krings: Paleobotany, Elsevier 2009. [3]H. Steur:
Pachytheca,
een
vreemd, plantaardig bolletje uit het Devoon, Grondboor
& Hamer 58(2004), 52-57.
Anmerkung: Dieses Exemplar wurde erstmals beim 3. Hornstein-Treffen
2004 in Chemnitz vorgestellt, und eine erste Version dieses Beitrags,
gegründet auf der jetzt veralteten Zuordnung zu Grünalgen, wurde damals
bei www.kieseltorf.de
veröffentlicht. Entsprechend der jetzigen Deutung von Pachytheca als Nematophyt und der sehr wahrscheinlichen
Füllung der Zwischenräume mit Gel wird die in der ersten Version
vorgestellte Idee der Wasseraufnahme durch Kapillarwirkung hiermit
zurückgezogen. Siehe auch Rhynie
Chert News 36, 44. Einige
weitere Fotos dieses Exemplars, aufgenomen von H.
Sahm,
wurden an eine umfangreichere Abhandlung zu Pachytheca
von H. Steur
[1] angehängt. Für weitere Literaturangaben
siehe [1,3].