Funde von Nematophyten
im Hornstein von Rhynie
aus letzter Zeit, besonders bisher unbekannte, können dabei helfen,
diese "Rätselhaften
Organismen" [1] zu enträtseln. Nematoplexus
[2],
ist der einzige, der aus schraubenartig
gewundenen Röhren
besteht. Das
Gewinde
ist immer rechtsdrehend und hat eine definierte Ganghöhe. (Irrtümlich
wurden die "spiraligen Wickel" wiederholt
allen Nematophyten
zugeschrieben [3,4].)
Die Röhren eigener Funde von Nematoplexus sind
größer als die des Originals in [2]:
Rhynie
Chert News 29. Unerwartet
wurden gerade
oder schwach
gekrümmte Röhren zusammen mit
gewundenen gefunden
(Abb.1), aber keine Übergangsformen: Rhynie
Chert News 51.
Im unübersichtlichen Gewirr
sind 3
Windungen einer Röhre,
wie in Abb.1 rechts,
selten zu finden.
Abb.1: Nematoplexus
mit schwach gekrümmten
und schraubenartig gewundenen Röhren,
11-12µm breit. Bildbreite 1.5mm.
Der Begriff "Verzweigungsknoten" ("branch-knot")
und dessen wiederholter Gebrauch im Zusammenhang mit der Entstehung der
Röhren hat die Vorstellung befördert, dass die Röhren im "Knoten"
vielfach verzweigen, bevor sie herauskommen. Dieser Vorstellung wurde
inRhynie
Chert
News 134,
136,
152
widersprochen. Um die Verfestigung von Irrtümern zu vermeiden, können
die "Knoten" einfach "Klumpen" genannt werden. Sie sind keine
verworrenen Röhren, sondern Klumpen mit einer (nicht klar definierten)
Oberfläche, von der die
Röhren ausgehen.
Ein Klumpen, der die schwach
gekrümmten Röhren in
Abb.1 erzeugt, ist noch nicht gefunden worden, aber als große
Überraschung gibt es große Klumpen mit ansitzenden schwach
gekrümmten dicken Röhren (Abb.2). Es
ist rätselhaft, warum schwach
gekrümmte Röhren nur nahe bei den "normalen"
schraubenartigen
Nematoplexus-
Röhren
gefunden wurden, aber niemals am gleichen Klumpen.
Siehe Rhynie
Chert
News 135,
137.
Es
zeigt sich, dass auch der anscheinend gründlich untersuchte
Nematoplexus
große Geheimnisse verbirgt.
Abb.2: Schwach
gekrümmte dicke Röhren, 17-22µm, und
wenige sehr dünne, 4-5µm, an einen
großen Klumpen,
daneben eine fast gerade dünne Röhre, 9µm. Gleiche
Vergrößerung wie Abb.1, Bildbreite 1.3mm.
Weil Nematoplexus der
einzige bekannte Nematophyt mit
schraubenartig gewundenen Röhren
ist, sehen alle anderen
kürzlich im Rhynie
Chert gefundenen ganz
anders aus. Ein auffälliges Beispiel dafür ist die Anordnung
parallel ausgerichteter breiter Röhren in Abb.3.
Abb.3: Unbekannter Nematophyt
mit breiten Röhren bis 70µm.
Gleiche Vergrößerung wie Abb.1,2, Bildbreite
1.5mm.
Mineralische Plättchen aus dem schlammigen Sumpfwasser, das zu
Rhynie-Hornstein wurde, sind zwischen den Röhren nicht zu finden,
woraus anscheinend
folgt, dass die Röhren nicht einzeln im Wasser wuchsen, sondern in
einem selbst erzeugten
Klumpen organischen Gels. Damit werden weitere Details verständlich:
Oben im Bild beginnt das Gel zu zerfallen, und unten links beginnen
Schrumpfrisse im Gel eine scheinbare Zellstruktur zu bilden, die bei
manchen Nematophyten
als vermeintliche Zellstruktur Verwunderung erregt hat: Rhynie
Chert
News 30.
Auch
das unterschiedliche Aussehen
des Chalzedons innerhalb und außerhalb der Röhren deutet auf
unterschiedliche Verkieselung hin: Rhynie
Chert
News 154.
Die
winzigen mineralischen Körnchen in zwei Röhren rechts unten müssen
sich abgelagert haben, als das Innere der Röhren flüssig war. Folglich
muss der Inhalt vor dem Verkieseln zersetzt gewesen sein, anders als
das organische Gel, das die Röhren umgab und auf Abstand hielt, bis die
Verkieselung sie in ihrer Lage fixierte. Deshalb berühren die Röhren
sich nicht.
Anders ist der Nematophyt
in Abb.4
strukturiert. Die chaotische Anordnung schlaffer Röhren scheint auf
eine
Verflüssigung des organischen Gels vor dem Verkieseln hinzudeuten, aber
diese Deutung ist unsicher.
Im Gelklumpen sind
die Röhren vor Vertrocknen und Mikrobenbefall geschützt: Rhynie
Chert
News 155.
Wahrscheinlich
haben auch andere Nematophyten
diesen zweifachen Schutz genutzt.
Abb.4 (links): Unbekannter
Nematophyt mit breiten
Röhren bis 60µm, wie deformierte schlaffe Schläuche. Gleiche
Vergrößerung wie oben, Bildbreite 2mm.
Zu bläulichem Chalzedon gewordenes Gel hat die
Aufmerksamkeit auf erstaunlich schmale Nematophyten-Röhren
gelenkt (Abb.5), die bisher möglicherweise ignoriert oder für weniger
interessante Pilzhyphen gehalten wurden: Rhynie
Chert
News 86.
Gelbe mineralische Krümel sieht man links oben und hinter dem blassen
Gel rechts
Abb.5 (unten): Unbekannter
Nematophyt mit sehr
schmalen Röhren, 6-8µm, unregelmäßig
gekrümmt. Gleiche
Vergrößerung wie oben, Bildbreite 1.4mm.
Die Nematophyten in Abb.1-5 zeigen hier keinen klaren
Umriss. Die Gelklumpen mit Röhren darin liegen hier als Fragmente vor. Nematophyten
mit erhalten gebliebenem Umriss gibt es in anderen eigenen
Fundstücken: Rhynie
Chert
News 99.
Die blassen Flecken aus dicht gedrängten Röhren in Abb.6,
links unten und rechts oben, sind vermutlich die erwarteten
Zentren der Entstehung der Röhren. Mit
10-27µm breiten Röhren und
einer Breite des ganzen Organismus von kaum mehr als 2cm ist dieser
Nematophyt dem flachen Exemplar in Rhynie Chert
News 46 ähnlich,
aber ohne eine klar strukturierte Außenschicht wie
dort.
Abb.6 (links): Unbekannter
Nematophyt mit Röhren bis
27µm.
Gleiche Vergrößerung wie oben, Bildbreite 1.3mm.
Abb.7 (rechts): Nematophyt
mit geschichteter Struktur und unterschiedlichen Röhren in den
Schichten, damit ähnlich Nematophyton
taiti. Gleiche
Vergrößerung wie oben, Bildbreite 1.5mm.
Der Nematophyt
in Abb.7 ist der einzige unter den eigenen Funden mit deutlich
unterschiedlichen "Gewebetypen", verdeutlicht in der Zeichnung Abb.8
und in Rhynie Chert
News 35, 46, 153,
Abb.8: Versuch einer Rekonstruktion des Nematophyten in Abb.7. Breite
3.5cm.
Kürzlich wurde der ähnliche Nematophyton taiti
in die Ascomyceten
eingeordnet und in Prototaxites
taiti umbenannt [5]. Möglicherweise müssen das vorliegende
Fossil und auch andere Nematophyten
neu bewertet werden.
Der Ausschnitt in Abb.7 ist so gewählt, dass er an die
Außenschicht von Pachytheca
erinnert (hier
ohne Bild). Jener kugelförmige
Nematophyt ist von
mehreren Fundstellen bekannt. Ein besonders
gut erhaltenes Exemplar wurde im Rhynie-Hornstein gefunden:
Rhynie Chert News1, 36, 44.
Röhren mit ringförmigen oder spiraligen Wandbelägen, beiNematoplexus
vereinzelt zwischen den "normalen" Röhren
zu sehen, erscheinen dort als "unpassend", sind aber bei Nematothallus normal: Abb.9.
Ihre auffallende Ähnlichkeit mit Tracheiden gab den Anlass zu
ernsthaften Überlegungen
zur Evolution der Landpflanzen [6], aber auch zu absurden Vorstellungen
über den Druck fließenden Wassers in Zellen [7].
Abb.9:
Wurmartige Röhren, ca.20 µm breit, mit Wandbelag, dazwischen winzige
Röhren bis 3µm (?), anscheinend alles in einem Klumpen organischen Gels
gewachsen, dann verkieselt;
wahrscheinlich erstes 3D-Fossil von Nematothallus,
2mm breit, gleiche
Vergrößerung wie Abb.1-7.
Abschließend ist festzustellen, dass die in
letzter Zeit gefundenen und
in Abb.1-9 kurz vorgestelllten Nematophyten
aus dem Rhynie Chert
belegen,
- dass der einzige Nematophyt
mit schraubenartig gewundenen Röhren, der angeblich gut untersuchte
Nematoplexus,
rätselhafte Beziehungen
zu unbekannten Strukturen
aufweist (Abb.1,2),
- dass die "Verzweigungsknoten" kein Gewirr verzweigter Röhren sind,
sondern
Klumpen, von deren Oberfläche die Röhren ausgehen (Abb.2),
- dass es mehrere bisher
unbekannte Arten und
Formen von Nematophyten
im Rhynie Chert gibt
(Abb.1-9),
darunter Arten mit unerwartet
schmalen oder breiten Röhren.
- dass Nematoplexus nicht,
wie einmal vermutet und dann vielfach wiederholt, z.B. in [1], eine
Erhaltungsform von Nematothallus
ist.
Fundstücke in Abb.1-9:
Rh9/86.1, Rh15/79.1, Rh2/81.1, Rh13/7.1, Rh3/9.1, Rh13/1.2,
Rh2/7.6.
H.-J.
Weiss 2020
[1]
T.N. Taylor,
E.L.Taylor, M. Krings: Paleobotany, Elsevier 2009.
[2] A.G.
Lyon: On the fragmentary remains of an organism
referable to the Nematophytales,
Trans. Roy. Soc. Edinburgh
65(4)(1962): 79-87. [3]
P. Selden, J. Nudds:
Evolution of fossil ecosystems. Manson Publ. 2012, p.84.
[4] www.abdn.ac.uk/rhynie/nemato.htm
[5]
R.
Honegger, D. Edwards, L. Axe, Ch. Strullu-Derrien:
Fertile Prototaxites
taiti: a basal ascomycete with
inoperculate, polysporous asci lacking croziers.
Phil.Trans. Roy. Soc. B 373 (2017): 20170146.
[6]
P.K. Strother: Clarification of the genus NematothallusLang: J.
Paleont. 67(1993), 1090-1094.
[7] K.J. Niklas, V.
Smokovitis: Evidence for a
conducting strand in early Silurian plants, (1983).