Erbsengroße Kugeln aus dem Silur und Unter-Devon, bekannt als Pachytheca,
sind in unterschiedlich gedeutet worden
[1,2], zuletzt als Nematophyten, eingeordnet
unter "Rätselhafte
Organismen" [3], was zu der Faszination beiträgt, die von
diesem Fossil ausgeht, das einer ordentlichen Klassifizierung zu
spotten scheint. In
dieser Situation können auch scheinbar unbedeutende Einzelheiten,
zusammen betrachtet, zu Einsichten verhelfen. Drei möglicherweise
nützliche Beobachtungen sind hier aufgezählt:
(1) Eine seltsame Hülle aus kurzen "Haaren", wahrscheinlich teilweise
zerfallen und in einer Schicht aus organischem Gel eingelagert, ist auf
einem Teil der Oberfläche des bisher einzigen gut erhaltenen Pachytheca-
Exemplars
aus dem Rhynie Chert zu
sehen, (Siehe Abb.1,2 und Rhynie
Chert News36.)
(2) Nahe der Pachytheca-Kugel
im
Rhynie Chert gibt es Anordnungen von Röhren, die
ein schlecht erhaltener Nematophyt sein könnten
(Figs.3,4) . (Siehe "Anmerkung 2016" unten.)
(3) Pachytheca und
Nematophyten findet man zusammen in unter-devonischem Gestein (kein
Hornstein) am Lac de la Gileppe [1,2].
Die Nematophyten-Bruchstücke
von dort wurden Prototaxites
zugeordnet, aber nach eigenen Beobachtungen kommen kleinere
Nematophyten
in Betracht. (Belege werden später geliefert.)
Abb.1 (rechts): Pachytheca
in Rhynie Chert, zentrischer Schnitt. Man beachte die "haarige" Hülle
längs des Umfangs und daneben die sehr undeutlichen Reste von Röhren
(?) links oben. Durchmesser 3.8mm.
Abb.2 (unten): Pachytheca in
Rhynie Chert, exzentrischer Schnitt. Man
beachte die bevorzugte Ausrichtung der "Haare" nach rechts.
Abb.3 (rechts): Weißliche Schicht
(links oben nach rechts unten) mit schlecht erhaltenen Röhren,
Durchmesser ca. 40-80µm, einige mit dunkler Füllung, undeutlich
sichtbar, weniger als 2cm entfernt von Pachytheca.
Bildbreite 6mm.
Abb.4 (unten): Berandeter Bereich im Rhynie
Chert, 1cm von
Pachytheca
entfernt, mit schlecht erhaltenen Röhren, erkennbar durch unterbrochene
dunkle Füllungen. Bildbreite ca. 8mm.
Die Beobachtung, dass die Bereiche mit Röhren sich vom umgebenden
Hornstein farblich abheben und von einem zerzausten Rand begrenzt sind
(Figs.3,4), ist mit der Annahme verträglich, hier sei ein Nematophyt zu
sehen, der aus Röhren in einem Klumpen von organischem Gel besteht. (Es
ist zu erwähnen, dass schlecht erhaltene frühe Stadien von Palaeonitella
mit Nematophyten verwechselt werden könnten.)
Die
haarige Hülle in Abb.1,2 und die anderen Beobachtungen
zusammen
genommen legen die Annahme einer engen Beziehung zwischen Pachytheca und
den fädigen Strukuren nahe, die typisch für flache Nematophyten sind.
Mit dieser Annahme kommt man zu der Schlussfolgung, Pachytheca
sei möglicherweise ein kleiner kompakter Teil eines größeren
Nematophyten- "Körpers" mit weniger wohldefinierter Form und Struktur.
Das führt zu der Frage, warum der Nematophyt ein Körperteil mit
hochsymmetrischer Form und Struktur erfunden hat. Die Antwort könnte
aus einer Kombination weiterer Beobachtungen und Tatsachen ableitbar
sein:
(4) Nematophyten, oder einige von ihnen, bestehen aus locker
angeordneten Röhren in organischem Gel. (Siehe Rhynie
Chert News 13, 29.)
(5) Nematophyten, oder einige von ihnen,
schützen sich gegen Austrocknen mit einer Kutikula, wie die
wohlbekannte Nematothallus-
Kutikula, deren Pseudo-Zellstruktur seit jeher rätselhaft war und nun
versuchsweise als Replika von Schrumpfrissen in
organischem Gel erklärt worden ist. (Siehe Rhynie
Chert News 30, 38.)
(6) Es gibt Anzeichen dafür, dass Pachytheca
unter der vergleichsweise dicken haarigen Ummantelung eine dünne glatte
Kutikula hat. (Siehe Rhynie
Chert News 1, 36.)
Anscheinend wurde die mechanisch stabilste und am besten
trockenheitsresistente Struktur, die mit den wenigen Komponenten
herstellbar ist, die den Nematophyten zur
Verfügung standen, nämlich Röhren, Gel und Kutikula-Substanz, von
Pachytheca
realisiert: eine dicke Schale aus radial angeordneten, miteinander
durch Gel verklebten Röhren
gleicher Größe, sich so verzweigend, dass sie
überall dicht gepackt sind, und eine
nahezu perfekte Kugel bildend, bedeckt mit einer Kutikula.
Ein
solches kompaktes Gebilde unterscheidet sich sehr von der Struktur der
Nematophyten mit locker angeordneten Röhren. Da physiologische
Prozesse auf Stoffaustausch durch Diffusion
beruhen, scheint die kompakte Struktur ungünstig zu
sein, ebenso wie Samenkörner und Zwiebeln ungeeignet für Aktivität
sind. Sie sind geeignet, im Ruhezustand widrige Umstände zu überstehen,
und dienen damit der Erhaltung
und Verbreitung. Pachytheca
könnte den gleichen Zweck erfüllt haben, als widerstandsfähiger
Nematophyten-Brutkörper,
mechanisch so fest, dass er gewöhnlich kugelförmig blieb, während
Anderes im Sediment platt gedrückt wurde. Man kann annehmen, dass
solche
Festigkeit vorteilhaft war. Folglich erscheint es lohnend, nach
Brutkörpern anderer Nematophyten zu suchen. Es drängt sich auch der
Gedanke auf, dass die verschiedenen Typen von Pachytheca, falls
sie wirklich Brutkörper sind, verschiedene Arten repräsentieren.
Anmerkung 2016: Nematophyten können als Gewirr von Röhren in weißlichen Wolken mit dunklem Rand erscheinen (siehe Rhynie
Chert News 98), aber neue Beobachtungen lassen vermuten, dass Abb.3,4 eine unbeschriebene Alge zeigen, die zufällig neben Pachytheca gewachsen war.
H.-J. Weiss
2011
[1] H.
Steur : Pachytheca,
een vreemd, plantaardig bolletje
uit het Devoon,
Grondboor & Hamer
58(2004), 52-57.
[2] H. Steur: Pachytheca,
a strange, vegetable little sphere.
http://www.xs4all.nl/~steurh/
[3] T.N.
Taylor, E.L. Taylor, M. Krings : Paleobotany, Elsevier
2009.