Nematoplexus
-
mehrfach rätselhaft
Nematoplexus
ist zu Recht im Kapitel "Rätselhafte Organismen" in [1] eingeordnet
worden, denn dieses seltsame Geschöpf besteht im wesentlichen aus
Röhren in sehr unterschiedlichen Ausführungen: ...
(1) nahezu gerade, schwach gekrümmt, schraubig
gewunden, oder
unregelmäßig geformt,
(2) mit verschiedenen Durchmessern und glatten oder ringartig
verstärkten Wänden
(3)
aus dunklen Klumpen kommend.
Seltsamerweise können diese Strukturelemente sich in vielfältiger Weise
kombiniert realisieren: dicke und dünne Röhren
schwach gekrümmt nebeneinander, regelmäßig geschraubte Spiralen mit
glatter Wand neben ungleichmäßig krummen Schläuchen mit ringförmigen
Wandverstärkungen [2], kleine Spiralen neben großen Spiralen, und
dergleichen mehr.
Bei
all dieser Vielfalt gibt es einschränkende Regeln: Die Spiralen sind
immer rechtsdrehend,
und der Gewindedurchmesser ist ungefähr gleich der
Ganghöhe. Längs der Röhren ändert sich deren Typ nicht:
Spiralen bleiben schraubig, die meisten unter 16µm dick, und Röhren
mit ca. 20µm Durchmesser sind anscheinend niemals schraubig gewunden.
Diese Regeln sind als vorläufig zu betrachten, denn sie beruhen auf den
wenigen vorhandenen Fundstücken.
Die sogenannten Verzweigungsknoten, dunkle Klumpen ohne bestimmte Form,
an denen die Röhren beginnen, sind ein Rätsel für sich.
Ihre Größe variiert zwischen 0.04mm and 0.25mm.
Abb.1 (rechts): Nematoplexus,
mit schraubenartig gewundenen Röhren und dunklem Klumpen.
Bildbreite 0.7mm.
Abb.2 (links): Schwach gekrümmte dicke und sehr dünne Röhren am dunklen
Klumpen und zwei nicht zugehörige gerade dünne
Röhren,
gefunden nahe gewundenen Nematoplexus- Röhren.
Bildbreite 0.7mm.
Es ist schwer vorstellbar, dass die sehr unterschiedlichen Strukturen
in Abb.1 und Abb.2 die gleiche Art repräsentieren. Trotzdem kann man
vermuten,
diese Strukturen seien durch eine bisher unverstandene Beziehung
miteinander verbunden und vielleicht sogar
unterschiedliche Erscheinungsformen des gleichen Organimus. Dieser
Verdacht ergibt sich aus der Beobachtung, dass die schwach gekrümmten
Röhren immer nicht weit entfernt, 2cm oder weniger,
von den Spiralen
gefunden wurden. Es sind sehr seltene Fossilien, und wenn sie
unabhängig voneinander wären, dann wäre es höchst unwahrscheinlich, sie
immer nahe beieinander zu finden.
Abb.3 (rechts): Nematoplexus, dicke
Röhren an einem dunklen Klumpen mit unklarer Struktur. Ausschnitt aus
Abb.2. Bildbreite 0.2mm.
Die Bezeichnung "Verzweigungsknoten" beruht auf
der Vorstellung von "sehr festen Knoten von Röhren mit wiederholter
enger Verzweigung" [3]. Für diese Vorstellung gibt es in den hier
vorliegenden Fundstücken keinen Beleg. In Abb.2,3 sieht man, dass die
Röhren keulenförmig
sind, wo sie am Klumpen beginnen, und dass es keine Anzeichen von
Verzweigung gibt. Die Keulenform erschließt sich auch aus den
Querschnitten, bis 34µm
nahe am Klumpen in Abb.3, aber
17...20µm weiter außen in Abb.2. Anscheinend
dient die Oberfläche des Klumpens, obwohl nicht klar definiert,
als Referenzfläche für die Röhren. (Siehe auch Rhynie
Chert News 134.) Der
schräge Schnitt rechts in Abb.3
sieht so aus, als sitze die Röhre einfach an der
Oberfläche des Klumpens.
Abb.4 (links): Nematoplexus, sehr
dünne Röhren
(5µm) mit "Wandverstärkung". Ausschnitt aus Abb.2, oben, 90° nach
rechts gedreht. Bildbreite 0.15mm,
gleiche Vergrößerung wie Abb.3.
Bemerkenswert in Abb.2 sind auch die vom
Klumpen ausgehenden sehr dünnen Röhren.
Zwei davon sind blass dort sichtbar, wo eine nicht zugehörige gerade
Röhre (8µm) eine abgeschnittene dicke Röhre kreuzt. Die unregelmäßigen
Wandmuster aus Ringen und Spiralen, bekannt besonders
von
dicken Röhren des Typusexemplars [2], sind hier an den Wänden der sehr
dünnen
Röhren (5µm) zu sehen, mit Abständen von 2...3µm zwischen den schwach
sichtbaren Strukturelementen (Abb.4). Anscheinend haben alle anderen
Röhren in diesem Fundstück glatte Wände.
Bei grober Betrachtung verlaufen die
großen Röhren in Abb.2 radial nach außen. In
Wirklichkeit sind sie leicht zum Betrachter hin gekrümmt, also aus der
Bildebene heraus, und deshalb abgeschnitten.
Das feinkörnige Aussehen der großen Röhren in Abb.2 ist
möglicherweise verursacht durch Mikrobenbelag
oder durch Zersetzungsprodukte der Wandsubstanz, worauf Abb.5
hindeutet, wo man die schräg geschnittene Röhre sieht, die nahe dem
unteren Rand von Abb.2 aus der Bildebene heraus gebogen ist. Die
Außenseite der im Chalzedon eingeschlossenen Röhre sieht man in Abb.5
rechts. Ein idealer schräger Schnitt hätte eine nach links gerichtete
Parabel als Grenze der Röhrenwand erzeugt, aber ein Riss quer zur Röhre
und abgefallene Bruchstücke haben hier ein anderes Bild ergeben. Weiter
links wurde die Rückwand freigelegt, so dass deren wahrscheinlich
bedeutungsloses körniges Muster sichtbar ist.
Abb.5: Schräger Schnitt einer großen Röhre in Abb.2
mit wahrscheinlich bedeutungsloser Struktur hinten an der "glatten"
Wand. Bildbreite 0.1mm.
Aus den neueren Beobachtungen ist zu schließen, dass die hier
vorliegenden Exemplare von Nematoplexus
komplizierter sind als ein bloßes Geflecht "spiralig gewundener
röhrenförmiger Zellen" [3] und nicht innerhalb des Parameterbereiches
liegen, der in [2] für das Typusexemplar von Nematoplexus rhyniensis
angegeben wurde. Zusätzlich
zu dem oben erwähnten Deutungsversuch als extrem große Variabilität ist
in Betracht zu ziehen, dass es ein symbiotischer Organismus sein
könnte, bestehend aus mehreren Komponenten mit Röhren unterschiedlicher
Krümmung und Größe, die mehr oder weniger vorherrschen können und damit
Formen wie in Abb.1,2 bilden.
Von neuen Funden sind sehr wahrscheinlich weitere
unerwartete Erkenntnisse zu Nematoplexus zu
erwarten.
Alle Bilder wurden am Fundstück Rh15/79 aufgenommen, erhalten von Barron
(2014), in 4 Teile geschnitten. Die Bilder mit höherer Vergrößerung,
Abb.3-5, wurden 2018 von Gerd
Schmahl am Teil 1 aufgenommen.
H.-J. Weiss 2018
[1] T.N. Taylor,
E.L. Taylor, M. Krings: Paleobotany,
Elsevier 2009.
[2] A.G. Lyon: On the
fragmentary remains of an organism referable to the nematophytales,
from the Rhynie chert, Nematoplexus
rhyniensis.
Trans. Roy. Soc. Edinburgh
65(1961-62), 79-87, 2 tables
[3]
www.abdn.ac.uk/rhynie/nemato.htm
|
|
135 |