Der rätselhafte Organismus
Nematoplexus
ist seit 1961 bekannt aus
einem Stück Rhynie Chert [1] als eine
Ansammlung schraubenartig gewundener Röhren, Durchmesser 7-10µm,
ausgehend von dunklen Klumpen,
dann als kleinerer Fleck solcher Röhren gefunden
in einer
separaten Schicht des Rhynie Chert, genannt Windyfield Chert,
publiziert 2003 [2]. Unabhängig davon wurden 2003 im Rhynie Chert sehr
ähnliche dickere Röhren gefunden, 10-15µm, auch
schwach
gekrümmte oder gerade
nahe bei den gewundenen.
Was
aussah wie eine andere Art, große Röhren mit ca. 20µm radial ausgehend
von einem großen dunklen Klumpen, war zuerst in einem 2014 gefundenen
Stück gesehen und in
Rhynie
Chert
News 71
beschrieben worden. Danach wurde diese Kombination von großen Röhren
und großem Klumpen unerwartet in einem zweiten Fundstück gesehen und in
Rhynie
Chert News 126
neben anderen Klumpen abgebildet. Die Ergebnisse einer genaueren
Betrachtung dieses Fundstücks werden hier vorgetellt.
Abb.1: Nematoplexus-Röhrenund
"Knoten" an der rohen Oberfläche eines kleinen Fundstücks von 30g.
Bildbreite 1mm.
Nach genauerer Betrachtung sind die
"normalen" gewundenen Röhren nicht dem großen Klumpen zuzuordnen, weil
von diesem, wenn auch unauffällig, nur viel dickere Röhren
ausgehen. Das zeigt sich mittels einer Bildserie, von
Gerd
Schmahl aufgenommen und zu
informativen Bildern verarbeitet: Abb.2,3.
Abb.2 (links):
rechter Teil des Klumpens aus
Abb.1 mit hohler dicker
Röhre (rechts) und geringelter Röhre.
Bildbreite 0.25mm.
Abb.3 (rechts),
unterer Teil des
Klumpens aus Abb.1, wenig nach links gedreht. Bildbreite
0.4mm, gleiche Vergrößerung wie Abb.2.
Am auffälligsten in Abb.2 ist der schräge Schnitt der großen hohlen
Röhre mit gelber Ablagerung
und 23µm Außenmaß.
Eine Röhre mit ca. 30µm ist als ein blasser
dunkler Streifen in der Tiefe unten im Bild zu sehen,
(deutlicher auf einem Einzelbild des Stapels).
Der Anfang einer 30µm dicken
Röhre ist in Abb.3 zu sehen, ähnlich
einer gleichgroßen Röhre in Rhynie
Chert
News 135,
die dort anscheinend an der Oberfläche eines großen Klumpens sitzt.
Ein Stück 10µm-Röhre in
Abb.3 rechts oben repräsentiert die "normalen"
Wendel des "Nematoplexus-Aspekts"
mit den "normalen"
Klumpen, bekannt as "Verzweigungsknoten". Der kleine Klumpen in Abb.1
ist wahrscheinlich ein solcher.
Der große Klumpen in Abb.1 hat etwas Gemeinsames mit anderen großen
Klumpen in Rhynie
Chert
News 71, 126, 135:
Es sind die dicken Röhren (in Abb.1 verborgen, sichtbar gemacht in
Abb.2,3) und die Abwesenheit anhängender
"normaler"
Nematoplexus-Wendel. Das
unterscheidet die großen Klumpen deutlich von den sogenannten
Verzweigungsknoten, und da man keine Verzweigung sieht, kann man sie
einfach "Klumpen mit dicken Röhren" nennen.
Bemerkenswert
sind auch die Röhren mit "Wandverstärkung". Die zerbrochene Röhre mit
unregelmäßigen ringförmigen und spiraligen Wandbelägen in Abb.2, 17µm
dick, ist den Röhren von Nematothallus
überraschend ähnlich, auch den Tracheiden der Landpflanzen.
Abb.4: Unregelmäßig gekrümmte Röhre
mit Wandbelägen und
variablem Durchmesser, Ausschnitt aus Abb.3
links unten. Bildbreite 0.1mm.
Die seltsame Struktur in Abb.4 ist besonders interessant: Es
ist eine regellos gekrümmte wurm-artige Röhre
mit Wandbelägen und
variablem Durchmesser, 13µm in der Tiefe und mit
23µm an der Oberfläche des Fundstücks endend. Die
Struktur war möglicherweise im dunklen Klumpen verborgen und ist nur
sichtbar nach teilweisem Zerfall des Klumpens. Anscheinend hatte der
Schlauch links den Klumpen verlassen und war dort in ein normales Rohr
mit Wandstruktur übergegangen.
Die oben erwähnten schwach gekrümmten oder geraden Röhren gibt
es auch in diesem kleinen Fundstück: Abb.5,6.
Abb.5 (links), gleiche Vergrößerung wie Abb.1:
Schwach gekrümmteNematoplexus-
Röhre (ca.14µm) und Querschnitt des Zweiges einerArmleuchter-Alge
(0.15mm). Bildbreite 1mm.
Abb.6 (rechts), gleiche Vergrößerung wie Abb.1: Gerade Nematoplexus-Röhren
(20µm, 31µm) und Teile einer
Armleuchter-Alge. Bildbreite 1.2mm.
Lässt man die noch unverstandenen Dinge (und die
Röhren mit Wandbelag) zunächst
beiseite, kann man aus den spärlichen fossilen Belegen einige Regeln
ableiten:
- Die schraubenartig gewundenen Röhren
sind meist 7-15µm
dick und entstehen in Klumpen,
die als Verzweigungsknoten
bekannt sind.
- Die schmalen schwach gekrümmten oder
geraden Röhren sind meist 7-15µm dick.
Die zugehörigen Klumpen wurden
noch nicht gesehen.
- Die dicken schwach
gekrümmten oder geraden Röhren sind meist
17-30µm dick und entstehen
in "Klumpen mit dicken Röhren", die bisher
nicht bekannt waren.
Ohne Berücksichtigung von Röhrenfragmenten, die sich nicht
gut einordnen lassen (z.B. Fig.7), kann
Folgendes als wahrscheinlich gültig festgestellt werden:
Keine zwei dieser drei Typen von Röhren wandeln sich
ineinander um oder hängen am gleichen Klumpen. Die
gewundenen Röhren mit 7-15µm entstehen
niemals an einem Klumpen mit dicken Röhren, und
die dicken Röhren sieht man niemals
an einem "Verzweigungsknoten"
Röhren
mit Wandbelag und mit einem breiten Bereich möglicher Durchmesser, wie
sie von Verzweigungsknoten ausgehen, machen die Sache noch rätselhafter.
Solche Röhren können auch von "Klumpen mit
dicken Röhren" ausgehen, was hier erstmalig belegt wird.
Diese Beobachtungn könnten zu der Annahme verleiten, es
seien zwei oder mehr Arten Nematoplexus
vorhanden, wenn nicht
unerwartete Tatsachen die Situation verkomplizieren würden: Die schwach
gekrümmten Röhren sind immer nahe oder zwischen den gewundenen Röhren,
und die dicken und dünnen schwach
gekrümmten oder geraden Röhren sind meist
zusammen in einem Fundstück.
Wenn verschiedene Arten vorhanden wären, dann wäre es sehr
unwahrscheinlich, meist zwei oder drei von ihnen zusammen in einem
Stein zu finden. Wenn drei verschiedene Typen wirklich zusammen in
einem kleinen Stein von 30g gefunden werden, muss es einen besonderen
Grund dafür geben. Ein solcher Grund ist hier schwer vorstellbar und
müsste sehr ungewöhnlich sein: Symbiose zwischen verschiedenen
Nematophyten oder Nematoplexus als
eine Art mit sehr unterschiedlichen Formen. Jedenfalls sind von Nematoplexus
weitere
Überraschungen zu erwarten. Alle Bilder wurden an der unbearbeiteten Oberfläche eines kleinen Stücks Rhynie Chert aufgenommen, Rh6/102, 30g, 2003 gefunden von Sieglinde Weiss.
H.-J. Weiss
2019
[1] A.G. Lyon:
On the
fragmentary remains of an organism referable to the
nematophytales,
from the
Rhynie chert, Nematoplexus
rhyniensis. Trans. Roy. Soc. Edinburgh
65(1961-62), 79-87, 2 tables.
[2]
S.R.
Fayers, N.H. Trewin: A
review of the palaeoinvironments and biota of the Windyfield chert.
Trans.
Roy. Soc. Edinburgh Earth Sci. 94(2004 for 2003), 325-39.
[3]
www.abdn.ac.uk/rhynie/nemato.htm