Zwei Arten der rätselhaften "Fadenpflanzen" waren im Hornstein von
Rhynie entdeckt und als Nematophyton
(1921) und Nematoplexus
(1962) beschrieben worden. Der Nematophyt Pachytheca, schon
lange von anderen Fundstellen bekannt, war 2003 bei Rhynie gefunden und
in
Rhynie
Chert News 1
beschrieben worden. Seitdem wurden mehr Nematophyten gefunden: ein flacher
(2010), ähnlich doch anders als Nematophyton, einer
mit unbekannter Gestalt und viel größeren
Röhren (2005), einer mit spiralig gewundenen
Röhren (2009) und mit mehreren Unterschieden zu
Lyon's
Nematoplexus
, und zuletzt ein ähnlicher mit vergleichsweise riesigen
"Verzweigungsknoten" ("branch knots") aus schwach gekrümmten großen
Röhren (2015).
Einen
ganz anderen Anblick bieten sehr dünne unauffällige Röhren und deren
Bruchstücke. Man sieht diese gelegentlich in weißlichen Wolken
zwischen dem mehr durchsichtigen und deshalb dunkler erscheinenden
Chalzedon. Ihre variable Krümmung unterscheidet sie von den
stückweise geraden Hyphen aquatischer Pilze und lässt an Nematophyten
denken. Mangels ausreichend guten Fossilmaterials wurde
dieser Gedanke nicht verfolgt, bis solche Röhren massenhaft auf
Schnittflächen eines oliv-braunen Fundstücks erschienen.
Abb.1(rechts): Rhynie Chert, zeitversetzt entstanden
aus hellem Kieselgel,
dunklen Niederschlägen, und mineralischen Ausscheidungen. Man beachte
den dunkleren Klumpen mit sehr schwach sichtbaren Fäden unterhalb der
Mitte des Bildes. Bildbreite 8mm.
Abb.2
(links oben): Röhren im weißlichen Chalzedon verstreut. Die Wolke ist
rechts so dünn, dass der oliv-braune Hintergrund hindurch scheint.
Bildbreite
Figs.2-6: 1.4mm.
Abb.3 (links oben):
Ähnlich wie Abb.2, rechts mineralische Ausscheidungen.
Abb.4 (rechts oben):
Ähnlich wie Abb.2, Wolke teilweise ohne Röhren.
Abb.5:
Ähnlich wie Abb.4.
Abb.6:
Rohe Oberfläche des Fundstücks, hier mit längeren Röhren.
Aus der Beobachtung, dass wolkenartig aussehende Bereiche
mancher
Fundstücke frei von den sonst allgegenwärtigen mineralischen
Ausscheidungen sind (Abb.1-3), ist zu schließen, dass die Wolken als
Gelklumpen zeitlich vor den Ausscheidungen im Wasser entstanden. Die
Beschränkung der Röhren auf das Innere dieser Wolken lässt einen
tieferen Zusammenhang vermuten. Dafür gibt es verschiedene
Denkmöglichkeiten:
- Die Wolken könnten
Mikrobenkolonien gewesen sein, zusammengehalten von organischem Schleim
oder Gel, dann von einem röhrenförmigen Wesen okkupiert, das sich davon
ernährt.
- Die Röhren könnten Gel
erzeugt haben, wie das von Nematophyten anzunehmen ist. Organisches Gel
könnte die Bildung von Kieselgel ausgelöst haben und durch letzteres
ersetzt worden sein.
- Mikroben oder Röhren könnten durch Einwirkung
auf pH des Wassers direkt die Bildung von
Kieselgel ausgelöst haben.
Die
weißlichen Wolken im Hornstein sehen meist leer aus. Das könnte
bedeuten, dass sie niemals von Nematophyten bewohnt waren, oder
dass letztere zerfallen und deshalb nicht mehr zu sehen sind.
Sehr
undeutliche Reste dünner Röhren gibt es in hellen Bereichen mancher
Fundstücke.
Anscheinend
gibt es keine einfache Erklärung für diesen Fossiltyp. Der Anblick des
Gewirrs unregelmäßig gewundener Röhren erinnert an unbenannte
Nematophyten in Rhynie
Chert News 13,
35,
abgesehen von den sehr kleinen Durchmessern in diesem Falle, 6-8-(10)µm
im Gegensatz zu 50-70µm
und 25-30µm der erwähnten Nematophyten. Außerdem sind die Röhren in den
obigen Bildern lockerer verteilt. Das könnte jedoch durch schnelle
Zersetzung bedingt sein, was auch erklären könnte, warum viele kurze
Stücke zu sehen sind. Längere Stücke wie in Abb.6 sind selten.
Die Ähnlichkeit zu Nematophyten ist auffällig, aber das
Fehlen der sogenannten Verzweigungsknoten ("branch
knots"), einer typischen doch unverstandenen Eigenheit, lässt an der
Zugehörigkeit zweifeln. Verwirrend ist das Vorhandensein einiger
weniger Röhren anderen Typs in
diesem Fundstück (Abb.7,8). Deren Zusammenhang mit den schmalen Röhren
in Abb.2-6 ist fraglich, aber nicht auszuschließen.
Abb.7,8:
Einige der sehr wenigen breiten Röhren zwischen den
schmalen (ca. 7µm wie in Abb.2-6),
hier ca. 30µm (mit Ringen an der Wand) und 20µm, in bläulichem
Chalzedon umgeben von mineralischen Krümeln. (Die weißen Punkte sind
nicht relevant.) Bildbreite 0.3mm, Vergrößerung zweimal so groß wie in
Abb.2-6.
Die sehr wenigen breiten Röhren (ca. 15, 20, 30µm) sieht man
hier zusammen mit einigen schmalen in kleineren Flecken bläulichen
Chalzedons getrennt von den größeren weißlichen Wolken. Die Kombination
unterschiedlicher Röhren, einschließlich solcher mit Ringen an der
Wand, ist von Nematophyten bekannt. Wenn die breiten zu Nematophyten
gehören, was wahrscheinlich zutrifft, wird man annehmen können, dass
das auch für die schmalen Röhren in Abb.2-6 gilt, und dass hier eine
neue Art der rätselhaften Nematophyten vorgestellt wurde. Diese ist
anscheinend nicht selten, aber selten so erhalten, dass sie nicht zu
übersehen ist.
Die Röhren wurden 2015 im Fundstück Rh3/9 (1998) entdeckt.
H.-J. Weiss 2015