Scheue Krabbeltiere im
Kieselholz ? –
Aufräumen
nach abflauendem Wahn
Seit etwa zwei Jahrzehnten wurden Berichte von
Milbenkot-Sichtungen in Karbon, Perm und Trias in
manchen Paläobotaniker-Kreisen zunehmend beliebt, obwohl die Milben
verborgen blieben.
Die Veröffentlichungen von R. Rößler,
einschließlich einer Monografie [1], sind eine wahre Fundgrube für
angebliche Koprolithen (siehe Fossil
Wood News 12).Weder
die Abwesenheit der
Milben noch die
Tatsache, dass die angeblichen Koprolithen immer so groß waren wie die
Zellen angrenzender Gewebe und oft ebenso kantig [2], haben Verdacht
erregt. Schäden im Gewebe wurden als Fraßgänge gedeutet, auch wenn
diese so eng waren, dass Milben, die zellengroße Klumpen produzieren,
dort nicht hätten kriechen können. Offenbar wunderte sich niemand
darüber, wie die angeblichen Koprolithen in unbeschädigte Zellen
gelangen konnten (Fossil
Wood News 3,
5).
Die
zweifelhafte Milbenkot-Hypothese wurde in der wissenschaftlichen
Literatur nicht
bezweifelt und konnte sich durch unkritisches Abschreiben
ausbreiten. Eigene Bemühungen, die oben genannten
Gegenargumente mittels privater Mitteilungen bekannt zu machen, haben
bewirkt,
dass manche Autoren nicht mehr von fossilem Milbenkot sprechen. R.
Rößler
[3,5] und Z. Feng
[4,5] haben anscheinend ein gemeinsames Interesse
daran, die
Koprolithen-Idee aufrecht zu erhalten und jeder Diskussion darüber
auszuweichen. Das hatte die Beiträge Fossil
Wood News 4,
5 zur Folge, auch
ein Schreiben von Rößler's
Anwalt mit der Feststellung, die Koprolithen-Hypothese
sei Stand der Wissenschaft.
Während andere davon abrücken, scheinen Rößler und Feng
entschlossen zu sein, daran festzuhalten, aber
unter Verzicht auf die Hornmilben, die nun durch "unbekannte
Tiere" [3] und "neue Detritusfresser" [5]
ersetzt werden. Das
sind vergebens
ausgedachte Bezeichnungen, denn die Klümpchen können keine Koprolithen
sein,
was inzwischen anhand vieler Beispiele begründet wurde (Fossil
Wood News 7).
Der zusammenbrechende Milbenkot-Wahn hinterlässt seinen
Unrat in der
paläobotanischen Literatur. Die professionellen Verursacher fühlen sich
nicht verantwortlich für dessen Beseitigung. Die viel gerühmte
Selbstreinigungskraft der Wissenschaft ist in Teilen der Paläobotanik
verloren gegangen. Das Ausmisten muss nun von Außenseitern übernommen
werden (s. Fehldeutungen).
Das Folgende bietet einige weitere Beispiele.
Abb.1: Ausschnitt aus [1], Bild 441, dort beschrieben als
Fraßgang-Querschnitt, mit Koprolithen gefüllt
Abb.2
(rechts): Nadelholz-Zellen, anscheinend durch eine expandierende
Füllung aufgebläht und dadurch in eine gestörte Bienenwaben-Struktur
gedrückt. Ausschnitt aus [4], Fig.6E, dort als Hornmilben-Koprolithen
gedeutet.
Zweifel ergeben sich aus der Beobachtung, dass die Klumpen in Abb.1
dicht gepackt sind und unterschiedliche Größen und Formen haben,
durchschnittlich etwas größer als die Holzzellen rechts und etwas
kleiner als die Markzellen links. Der Vergleich mit ähnlichen
Strukturen (Abb.2) legt nahe, dass es aufgeblähte und leicht
verschobene Holzzellen sind, gefüllt mit einer hellen Substanz, wie
in Fossil
Wood News 5 erläutert.
Ähnliche Erscheinungen sind in [6] und in Fossil
Wood News 21,
Abb.7, abgebildet.
Es gibt
weitere Beispiele für die Bildung kleiner Höhlen im Holz in Verbindung
mit dem Aufblähen von Zellen (Abb.3).
Abb.3 (rechts): Aufgeblähtes Gewebe in einem Hohlraum im
Holz.
Breite der Höhle 2mm (Fossil
Wood News 14).
Über die Holzschäden in Abb.1-3 kann hier nichts Genaueres gesagt
werden als
dass es einen unverstandenen Zusammenhang mit aufblähenden Zellen gibt,
aber keinen Zusammenhang mit tunnelgrabenden Tieren.
Die Begeisterung mancher Autoren für angebliche
Hinterlassenschaften von Gliederfüßern
in fossilem Holz hat offenbar dazu verleitet, die Furchen in einem
Kieselholz aus dem Rotliegenden (Abb.4, nach [1]) als Fraßgänge zu
deuten. Schon
im Bild erkennt man, dass die Furchen V-förmige Querschnitte haben, oft
mit einer dünnen Linie längs des Grundes. Solche Furchen können keine
Fraßgänge sein.
Abb.4: Angebliche "Fraßgalerie an einem Koniferenholz" nach Rößler:
Ausschnitt von Bild 442 in [1], dort mit
falscher Größenangabe. Breite des Bildausschnitts am Original gemessen:
14cm. Die Furchen sind als Schrumpfrisse
erkennbar, während der Verkieselung gebildet und später durch
Abplatzen verbreitert: keine Fraßspuren. (Ergänzung: neues Foto mit Beschreibung bei Fossil
Wood News 29.)
Etikett zum Original
im Paläontologischen
Museum
Nierstein
Nach dem Maßstab 4:1 in [1] wäre Abb.4 nur 1cm breit, was
sofort
höchst zweifelhaft erscheint. Nachmessen am Original im
Paläontologischen Museum Nierstein gab 14cm. Genaue Betrachtung des
Originals bestätigte die schon aus dem Bild abgeleitete Deutung: Die
breiten Furchen sind aus engen Schrumpfrissen entstanden. Anschlagende
Flussgerölle lassen wiederholt Splitter von den Kanten des Risses
abplatzen, bis ein Querschnitt entsteht, der am Grunde V-förmig und
oben abgerundet ist. Der ursprüngliche schmale Riss, der durch
nachträgliche Verkieselung auch gefüllt sein kann, ist bei manchen
Furchen in der Tiefe als dünne dunkle Linie sichtbar, auch mit schmalem
Grat als Rest der abgebrochenen Füllung. Offensichtlich kann kein Tier
solche Fraßspuren erzeugen.
Abb.4 ist hier so gedreht, dass das
Licht von links oben kommt und einen besseren räumlichen Eindruck gibt.
Nebenbei sei erwähnt, dass Bild 442 in [1] und auch Abb.4 das
Spiegelbild des Fundstücks darstellt. Das gilt auch für weitere Bilder
in [1]. Diese Information kann Vergleiche mit den Originalen
erleichtern.
Abb.5
(rechts):
Risse (quer) und Fraßgänge mit U-förmigem Querschnitt ohne Längsriss an
der
Oberfläche eines Kieselholzes von Chemnitz, hier zwecks Vergleich mit
Abb.4.
Bildbreite 7.5cm.
Ausschnitt aus [7] (dort Abb.5).
Fraßgänge unter der Rinde wie in Abb.5 sind am Grunde
U-förmig im Gegensatz zu den Furchen
mit Längsriss in Abb.4.
Als große Überraschung nach viel vergeblichem Geschwätz
über fossilen Milbenkot ohne Milben gibt es nun wahrscheinlich fossile
Milben ohne Milbenkot: Der Freizeit-Paläontologe Gert
Müller
hat anscheinend die verborgenen Milben in ihren Fraßgängen in
Pflanzengewebe im
Rotliegend-Hornstein aufgespürt [8]. Wie erwartet sind dort keine der Klumpen
zu sehen, die gewöhnlich als Koprolithen
gedeutet wurden.
Abb.6: Entwicklungsstadien von Gliederfüßern in Gängen in geschädigtem
Baumfarn-Gewebe in Hornstein, Unter-Perm,
Freital, Döhlener Becken,
Sachsen. Bildbreite ca. 3mm. Fund und Foto: Gert
Müller.
Ergänzung 2015:
Nachdem R. Rößler
die "Hornmilben-Koprolithen" vorübergehend gemieden hatte, benutzt er
dieses zweifelhafte Konzept erneut [9,10],
ohne zu erkennen, dass es nicht mit den fossilen
Belegen in seinen Publikationen verträglich ist:
siehe Fossil
Wood News 23,
24.
H.-J. Weiss
2012, ergänzt 2013, geändert und ergänzt 2014, 2015, 2019
[1] R. Rößler:
Der versteinerte Wald von Chemnitz. Museum f. Naturkunde Chemnitz 2001.
[2] H.-J. Weiss:
Milbenfraß und Milbenkot, 6th Chert Workshop, Naturkunde Museum
Chemnitz, 2007.
[3] M. Barthel,
M.
Krings, R. Rößler: Die schwarzen Psaronien von Manebach,
ihre Epiphyten, Parasiten und Pilze.
Semana 25(2010), 41-60.
(
kürzlich umbenannt, früherer Name: Veröff.
Naturhist. Mus. Schleusingen)
[4] Zhuo Feng,
Jun Wang, Lu-Yun Liu: First report of oribatid mite
(arthropod) borings and coprolites in Permian woods from ... northern
China.
Palaeogeography,
Palaeoclimatology, Palaeoecology 288(2010), 54-61.
[5] Zhuo Feng,
Jun Wang, Lu-Yun Liu, Ronny Rößler: A novel coniferous
tree trunk with septate pith ...
Int. J. Plant Sci. 173(2012),
835-48.
[6] H.-J. Weiss:
Beobachtungen an Kieselhölzern des Kyffhäuser-Gebirges.
Veröff. Mus.
Naturkunde Chemnitz 21(1998), 37-48.
[7] R. Rößler,
G. Fiedler:
Fraßspuren an permischen Gymnospermen-Kieselhölzern ...
Veröff. Mus. Naturkunde
Chemnitz 19(1996), 27-34
[8] G. Müller:
private Mitteilung.
[9] R.
Rößler, R. Kretzschmar, Z. Feng, R. Noll: Fraßgalerien von
Mikroarthropoden in Konifernhölzern des frühen Perms von Crock,
Thüringen.
Veröff. Mus.
Naturkunde Chemnitz 37(2014), 55-66.
[10] Zhuo
Feng,
J.W. Schneider, C.C.
Labandeira, R. Kretzschmar, R.
Rößler: A specialized feeding habit of Early
Permian oribatid mites.
Palaeogeography,
Palaeoclimatology, Palaeoecology 417(2015), 121-124.
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