Falscher fossiler Fraßschaden
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V-shaped cracks on petrified treeEin Stück fossiler
Baumstamm mit Furchen an der Oberfläche (Abb.1), die an Fraßgänge von Käferlarven unter der Rinde von Nadelbäumen erinnern, ist in [1] als Bild 442 zu sehen und wird dort als Beleg für die Aktivität von Insekten im Rotliegenden gedeutet. Jene Deutung ist anhand von Einzelheiten aus Abb.1 widerlegt worden [2].

Abb.1: Seitenansicht einer Scheibe aus einem fossilen Baumstamm (Perm), Oberfläche mit Furchen, entstanden aus Schrumpfrissen, in [1] als Fraßgänge von Arthropoden gedeutet (dort Spiegelbild,  falsche Größenangabe). Höhe der Scheibe 16.5cm. Paläontologisches Museum Nierstein.


Genauere Betrachtung des gleichen Objekts bestätigt die anfänglichen Zweifel. Einige Furchen sind am Grunde V-förmig, oft mit einer teilweise 
überstehenden "Rippe" entlang des Grundes, deutlich sichtbar in Abb.1 rechts unten und anderswo. Furchen eines solchen Typs konnten nicht von Insekten erzeugt werden. Das lässt vermuten, sie seien durch einfache Phänomene aus Kolloidchemie und Festkörperphysik entstanden: In einem späten Stadium der Verkieselung des Baumstamms schrumpfte das feste Kieselgel infolge struktureller Umordnung von amorph zu teilweise mikrokristallin. Unterschiedliches Schrumpfen erzeugte Zugspannung und schmale Risse. Bei fortgesetzter Abscheidung von SiO2 füllten sich die Risse, was als "Ausheilen" bekannt ist. (Ein ungewöhnliches, aber anschauliches Beispiel solcher Füllungen ist in Fossil Wood News 17 zu sehen.)
Anscheinend war der verkieselte Baumstamm aus dem Sediment, wo er gelegen hatte,
durch Erosion freigelegt worden, dann in Stücke zerbrochen, die zusammen mit anderem Geröll in der Brandung bewegt wurden. Die Risse waren offenbar nicht vollständig ausgeheilt, so dass schwächer gebundene Grenzflächen an den Rissflanken blieben, weshalb die ehemaligen Risse in besonderer Weise auf den Aufprall der Geröllsteine reagierten: Wiederholter Schlag auf oder neben den ehemaligen Riss zerbrach wahrscheinlich dessen Füllung und erweiterte die anfangs nahezu parallelen Rissflanken durch Abplatzen der Kanten zu einer oben abgerundeten V-Form. Auf diese Weise entstand die Oberflächenskulptur aus der anfangs unauffälligen Verteilung der Schrumpfrisse, die von einer flachen Oberfläche in die Tiefe gehen.
Die Anordnung der Furchen passt nicht gut zur erwarteten Verteilung der Schrumpfrisse in Kieselholz, was zur Fehldeutung als Fraßgänge von Insekten in [1] beigetragen haben kann. Die Anordnung muss von einer Besonderheit in der Holzstruktur beeinflusst sein, die hier unwichtig ist. An einer anderen Stelle des gleichen Objekts sind Schrumpfrisse an der Struktur des "normalen" Holzes orientiert (Abb.2).
healed cracks in petrified wood

Abb.2: Schrumpfrisse an der Oberfläche eines verkieselten Baumstamms, gleiches Objekt und gleiche Vergrößerung wie Abb.1, Furchen weniger deutlich, aber an der Holzstruktur orientiert, schmale Füllungen der Risse als waagerechte "Rippen" längs der Furchen sichtbar: keine Fraßgänge. Bildhöhe 6.8cm. 

Abschließend ist anzumerken, dass das hier betrachtete Beispiel eines von vielen ist, wo mangelnde Sorgfalt zur Fehldeutung von Fossilien beigetragen hat.

H.-J. Weiss     2018   

[1]  R. Rößler: Der versteinerte Wald von Chemnitz. Museum f. Naturkunde Chemnitz 2001
[2]  H.-J. Weiss: Scheue Krabbeltiere im Kieselholz ?  – Aufräumen nach abflauendem Wahn. www.chertnews.de,
Fossil Wood News 16 .

quartz crystal with wood inside
Fossil Wood News  29

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