Zweifelhafte Hornmilben-Koprolithen noch einmal: Kommentar zu Z. Feng
et al. (2010)
In letzter Zeit war kaum noch von Hornmilben-Koprolithen
die Rede, einem vor wenigen Jahren beliebten Thema in der Paläobotanik.
(Siehe auch Kapitel "Fehldeutungen".) Deshalb erschien
die Veröffentlichung von Feng
[1]
dazu unerwartet.
Bedauerlicherweise erfüllt diese nicht die Erwartungen, die der Titel
verspricht.
Ein kurzer Blick auf die Bilder mit kleinen dunklen Klumpen in
Kieselhölzern offenbart, dass die meisten keine Koprolithen sind.
Obwohl
die Sache anhand früherer Arbeiten zu angeblichem Milbenkot ausführlich
diskutiert wurde, so dass man erwarten konnte, sie sei erledigt, muss
sie nun hier erneut behandelt werden, mit den gleichen alten einfachen
aber passenden Argumenten, angewandt auf die neuen Bilder aus [1].
In den Bildern gibt es auffällige Einzelheiten, die auch bei Unkundigen
Verdacht erregen können, wie z.B. Klumpen mit deutlich kantiger Form
(Abb. 1...4). Außerdem passen Form und Größe der Klumpen oft zu Form
und Größe der Zellen in der Umgebung, wie schon zuvor an Kieselholz aus
der Antarktis
beobachtet.
Abb. 1...4: Klumpen in Perm-Kieselholz, in [1] trotz der kantigen
Formen als Milbenkot gedeutet; Ausschnitte aus [1], dort in Figs. 3I,
4E, 3C, 3I (von links nach rechts).
Zwischen den vielen Klumpen im Fundstück gibt es oft einige wenige an
Stellen, die "unmöglich" erscheinen, wenn man an Milbenkot denkt: Man
sieht sie tief im Innern von Tracheiden, wo keine Milbe hinein kriechen
konnte. Die von den Vertretern der Koprolithen-Hypothese angebotene
trügerisch einsichtige Erklärung, sie seien am offenen Ende in die
Tracheide hinein gefallen, ist nicht überzeugend: Manchmal sieht man
die Klumpen in den Querschnitten mehrerer benachbarter Tracheiden (Abb.
5...7), so dass sie beim Hineinfallen alle auf gleicher Höhe stecken
geblieben sein müssten. Übrigens würden so kleine Dinge wie Milbenkot
nicht so einfach durch Röhren mit wenig größerem Durchmesser fallen,
weil ihr Gewicht gewöhnlich viel kleiner ist als die Adhäsionskraft,
besonders wenn Spuren von Feuchtigkeit vorhanden sind. Sie würden
einfach an der Wand kleben und nicht abrutschen.
Die Anordnung der Klumpen in den nächsten Bildern deutet eine ganz
andere Erklärung an: Sie sind in den Zellen entstanden. Die zwei
winzigen Klumpen in Abb.6 oben sind vielleicht frühe Stadien der
Klumpenbildung. Ein auffälliges Merkmal (auch anderer Fundstücke) besteht darin,
dass die Klumpen nicht zufällig auf die Zellen verteilt sind, sondern
eine Tendenz zur Zusammenlagerung haben. Anders gesagt, eine Zelle mit
Klumpen hat wahrscheinlicher mindestens eine Nachbarzelle mit Klumpen
als keine.
Das bekräftigt die schon früher vorgeschlagene Deutung der
Klumpenbildung als Folge einer Infektion, die sich von Zelle zu Zelle
ausbreitet [2, 3]. Eine derartige Erscheinung
ist in einem bemerkenswerten Foto zu sehen [4]: Ein Klumpen schickt
eine Hyphe durch die Zellwand, um in der Nachbarzelle noch einen
Klumpen zu bilden.
Manche Klumpen behalten ihre Lage auch nach dem Zerfall der
Zellwände
bei, wie die drei Klumpen in einer Reihe in Abb.5 unten, und weniger
deutlich in Abb.6. Den überzeugendsten Beleg für die Entstehung der
Klumpen innerhalb der Zellen bietet Abb.7, mit drei und vier Klumpen in
einer Reihe, alle auf gleicher Höhe in benachbarten Tracheiden. Man
beachte auch die kleineren Klumpen in kleineren Zellen unten im Bild
(über der Zahl und rechts am Rand). Die Form mancher Klumpen scheint
anzudeuten, dass sie an der Zellwand befestigt sind.
Abb.
5...7: Klumpen in Perm-Kieselholz, in [1] als Milbenkot beschrieben,
obwohl ihre Anordnung auf eine Bildung innerhalb der Zellen hinweist;
Ausschnitte aus [1], Figs. 4B, 4B, 4F (von links nach rechts).
Eine Bildung im Kieselholz mit weniger klumpigem Aussehen (Abb. 8...10)
wird in [1] ebenfalls als Hornmilben-Koprolithen gedeutet. Auf den
Kieselholz-Querschnitten gibt es Bereiche, wo die übliche Holzstruktur
mit Zellen in radialen Reihen (senkrecht in Abb. 8 und 10) durch etwas
ersetzt ist, das an eine schlecht ausgebildete Bienenwabenstruktur
erinnert.
Abb.
8...10: Kieselholz (Perm), anscheinend befallen von einer Art
Holzfäule, in [1] als Milbenkot beschrieben, ungeachtet der polygonalen
Form der Bestandteile und ihrer dicht gepackten waben-artigen
Anordnung; Ausschnitte aus [1], Fig. 6E.
Wie man in Abb. 8 und 10 erkennt, schließt der helle Bereich
unmittelbar an das unbeeinflusste Holz an, dessen Zellen dunkel
aussehen, weil sie vor der Verkieselung hohl waren und nun mit klarem
Chalzedon gefüllt sind, so dass man die dunkle Tiefe sieht. Die zwei
hellen Teile unterhalb der leeren Zellen in Abb.10 passen zur Anordnung
der Zellen. Sie müssen deshalb Zellen sein, die mit etwas gefüllt sind.
Um die angeblichen Koprolithen in Abb. 8 und 9 als veränderte Zellen zu
deuten, ist zu erklären, warum sie nicht in Reihen angeordnet sind und
etwas größer als die Zellen erscheinen. Als mögliche Ursache
kommt Holzfäule in Betracht, verursacht durch Pilze oder
Mikroben, die sich von den Zellwänden ernähren und in den Zellen
organische Substanz produzieren, seien es dichte Knäuel winziger Hyphen
(wie in den Pflanzen des Rhynie-Hornsteins [4], siehe auch Fossil
Wood News 4, 28 ) oder Reste von
Mikroben. In Abb.8 sind nicht alle befallenen Zellen ganz ausgefüllt,
folglich bildet sich die Ablagerung zuerst längs der Wände. Anscheinend
expandiert der Inhalt der befallenen Zellen, und da die Wände durch
Pilze oder Mikroben geschwächt sind, halten sie nicht die alte Form. So
kommt durch gegenseitiges Drücken der expandierenden Zellen oder deren
Füllung die waben-artige Struktur zustande.
Solcherart Zerfall der Holzstruktur ist nicht ungewöhnlich in
paläozoischem Holz. Das Aufblähen befallener Zellen und die Auflösung
radialer Zellreihen wurde bei Kieselholz vom Kyffhäuser-Gebirge und von
anderen Fundstellen beschrieben [5]. Helle Klumpen mit der Größe von
Zellen neben dunklen findet man in unterpermischem Holz von
Schallodenbach, Deutschland.
Sehr wahrscheinlich werden die zellengroßen Klumpen mit
unterschiedlichem Aussehen in Zukunft etwas Interessantes offenbaren,
aber die beliebte Deutung als Hornmilben-Koprolithen wird man als
denkwürdigen Irrtum der Vergangenheit betrachten.
H.-J. Weiss
2010
[1] Zhuo
Feng,
Jun Wang, Lu-Yun Liu :
First report of oribatid mite (arthropod) borings and coprolites in
Permian woods from the Helan Mountains of
northern China.
Palaeogeography,
Palaeoclimatology, Palaeoecology 288(2010), 54-61.
[2] H.-J. Weiss ,
6. Hornstein-Treffen 2007, Naturkunde-Museum Chemnitz.
[3] H.-J. Weiss ,
7. Hornstein-Treffen 2008, Naturkunde-Museum Chemnitz.
[4] T.N. Taylor,
E.L. Taylor, M. Krings : Paleobotany,
Elsevier 2009, Fig. 3.96
[5] H.-J. Weiss :
Beobachtungen an Kieselhölzern des Kyffhäuser-Gebirges.
Veröff. Mus.
Naturkunde Chemnitz 21(1998), 37-48.
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