Angebliche Koprolithen von Gliederfüßern anders gedeutet
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Einige kürzliche Versuche, die absurde Annahme zurückzuweisen, Koprolithen kleiner Pflanzenfresser könnten in Form und Größe den gefressenen Zellen gleichen, trafen auf grimmigen Widerstand einiger derer, die eckige Klumpen in geschädigtem Pflanzengewebe als Hornmilben-Koprolithen deuten.
 (Siehe z.B. "Hornmilben-Koprolithen-Sichtungen  – ein kurzer Wahn ?"  und andere Beiträge, zugänglich vom Kapitel "Fehldeutungen".)
Einfache Kriterien ermöglichen die Unterscheidung zwischen wirklichen Koprolithen und Klumpen, die in der wissenschaftlichen Literatur fälschlich als Koprolithen beschrieben werden.

(1) Eckige Klumpen sind keine Koprolithen.
(2) Klumpen mit Formen und Größen wie die Zellen der Umgebung sind keine Koprolithen.
(3) Klumpen im Inneren von Zellen sind keine Koprolithen.
(4) Zur Gewebestruktur passend aufgereihte Klumpen sind keine Koprolithen.

Durch Anwenden dieser Kriterien auf die publizierten Bilder erkennt man schnell die Fehldeutungen. Einige Veröffentlichungen mit so gefundenen Fehldeutungen sind hier zusammengestellt, dazu die Nummern der jeweils relevanten Kriterien.
R.W. BAXENDALE (1979)
K. GOTH, V. WILDE (1992)
C.C. LABANDEIRA, T.L. PHILLIPS, R.A. NORTON (1997)
R. RÖSSLER (2000)
R. RÖSSLER (2001)
R. NOLL, V. WILDE (2002)
D.W. KELLOG, E.L. TAYLOR (2004)
ZHUO FENG, JUN WANG, LU-YUN LIU (2010)
M. BARTHEL, M. KRINGS, R. RÖßLER (2010)
Zhuo Feng, Jun Wang, Lu-Yun Liu, R. Rößler  (2012)
C. Strullu-Derrien, S. McLoughlin, M. Philippe, A. Mørk, D.G. Strullu (2012)
N.A. Jud, G.W. Rothwell, R.A. Stockey (2010)
(1)      
(1) (2) (3)
(1) (2)
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(1) (2) (3) (4)
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Wahrscheinlich sind alle angeblichen Koprolithen keine solchen in  [2, 4, 9-12]. In manchen der übrigen Arbeiten gibt es außer den falschen Koprolithen auch Klumpen unsicherer Herkunft und anscheinend auch wahre Koprolithen. Unter den verschiedenen Bildern möglicher Koprolithen in [1] gibt es eines mit Klumpen von anderer Art:


Blattquerschnitt von Cordaites mit kantigen KlumpenAbb.1: Angebliche kleine Koprolithen, den Mesophyll-Bereich eines Cordaiten-Blattes aus einem "Pennsylvanian coal ball" ausfüllend, hier anders gedeutet. Ausschnitt aus [1], Fig.9;  Größe der Klumpen 30-40µm.

Die eckigen Formen dieser Klumpen allein betrachtet sind vieleicht noch kein überzeugendes Argument gegen Koprolithen, aber Vergleiche mit sehr ähnlichen Klumpen in besser erhaltenem Pflanzengewebe in Bildern der oben aufgelisteten Publikationen legen die folgende Deutung nahe:
Die Klumpen waren Füllungen von Zellen, bevor die Zellwände zerfielen, und bewahren folglich die Formen und Größen der Innenräume der Zellen, oder wenigstens deren Querschnitte. Eine solche Idee einer alternativen Deutung scheint es in der Koprolithen-Literatur nicht zu geben, deshalb ist eine entsprechende Andeutung in [1] bemerkenswert, bezogen auf das obige Bild, aber nicht in der Bildunterschrift, sondern als bloßer halber Satz in einer langen Diskussion:

Zitat: wahrscheinlich keine Koprolithen       
Hätte man diese Vermutung nicht ignoriert oder vergessen, wäre (fast) die ganze Literatur zu Hornmilben-Koprolithen nicht geschrieben worden und würde nicht  jetzt noch (2010) erweitert, und es gäbe keinen Grund für deren Widerlegung durch kritische Kommentare wie den vorliegenden und andere im Kapitel "Fehldeutungen".
Was damals, 1979, als ein möglicher Weg der Klumpenbildung mit "Degradation des Zellplasmas und der Zellwände" umschrieben wurde, kann nun einer bestimmten Ursache zugeordnet werden: Aus dem unter-devonischen Rhynie Chert ist bekannt, dass der Pilz Glomites rhyniensis in die kleine Pflanze Aglaophyton (früher Rhynia major) eindringt, in den Zwischenzellräumen sich ausbreitet, gelegentlich in eine Zelle eindringt, dort sich üppig verzweigt und  ein dichtes Knäuel bildet, das wie ein dunkler Klumpen aussieht, dabei sich vom Zellinhalt ernährt, eine Hyphe durch die Wand in die nächste Zelle schickt, um sich dort zu verzweigen, und so weiter.  (Siehe [10], Figs.3.47 und 3.96.) So gebildete Klumpen können schließlich die Zelle füllen und auf diese Weise eine Kopie des mehr oder weniger eckigen Innenraumes bilden, wie man es deutlicher bei einer anderen Pflanze aus dem Rhynie Chert,  Asteroxylon , sehen kann (Abb.2).kantige Klumpen in Asteroxylon
Abb.2: Eckige Klumpen als Füllung undeutlich sichtbarer Cortex-Zellen in einem Querschnitt von Asteroxylon: sehr wahrscheinlich von einem Pilz gebildet, keine Koprolithen.
Rhynie Chert, Unter- Devon, eigener Fund.

Bei sorgfältiger Betrachtung offenbaren die oben genannten Publikationen ähnliche Belege gegen die Deutung der zellengroßen Klumpen als Koprolithen allgemein, und speziell als Hornmilben-Koprolithen. Klumpen sehr unterschiedlicher Größe in Ankyropteris

kantige Klumpen in Ankyropteris
Abb.3*, 4: Angebliche Koprolithen in Ankyropteris, Unter- Perm, Chemnitz. Ausschnitte aus [5],
Abb.336, 430.
Gleiche Bilder in [4], Tafel VII.



Diese Klumpen sehen nicht aus wie von einem Tier zufällig in einen Hohlraum fallen gelassen. Sie lassen eine Tendenz zur Anordnung in Ketten erkennen, so als seien sie von einem zerfallenden Gewebe übrig geblieben. Einige sind deutlich eckig. Ihre Größen und Formen variieren wie die der Zellen des angrenzenden Gewebes. Deshalb sind sie keine Koprolithen.

* Anmerkung zu Abb.3: Die Bildunterschriften in den Veröffentlichungen, denen Abb.3 entnommen wurde, sind fehlerhaft:
Fig.336 in [5] und Plate VII,5 in [4] zeigen nicht einen Ausschnitt der Hauptachse sondern des Wedelstiels.
Außerdem ist die Vergrößerung nicht 12:1 sondern 24:1 in [5], und nicht 14:1 sondern 35:1 in [4].

H.-J. Weiss      Dez. 2010

[1]  R.W. BAXENDALE: Plant-bearing coprolites from North American Pennsylvanian coal balls.
      Palaeontology 22(1979), 537-548, plates 65,66.
[2]  K. GOTH, V. WILDE:  Fraßspuren in permischen Hölzern aus der Wetterau.
      Senckenbergiana letaea 72(1992), 1-6.
[3]  C.C. LABANDEIRA, T.L. PHILLIPS, R.A. NORTON: Oribatid mites and the decomposition
      of plant tissues in paleozoic coal swamp forests.  Palaios 12(1997), 319-53.
[4]  R. RÖSSLER: The late palaeozoic tree fern Psaronius  -  an ecosystem unto itself.
      Rev. Palaeobot. Palyn. 108(2000), 55-74.
[5]  R. RÖßLER: Der versteinerte Wald von Chemnitz, 2001, p 141,155,169.
[6]  R. NOLL, V. WILDE :   Koniferen aus den „Uplands“ – Permische Kieselhölzer ...
      in: U. DERNBACH, W.D. TIDWELL : Geheimnisse versteinerter Pflanzen, D'ORO Publ., 2002.
[7]  D.W. KELLOG, E.L. TAYLOR: Evidence of oribatid mite detrivory in Antarctica during the
      Late Paleozoic and Mesozoic.  J. of Paleontology 78(2004), 1146-53.
[8]  ZHUO FENG, JUN WANG, LU-YUN LIU: First report of oribatid mite (arthropod) borings and coprolites
      in Permian woods from the Helan Mountains of northern China.
      Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology 288(2010), 54-61.
[9]  M. BARTHEL, M. KRINGS, R. RÖßLER: Die schwarzen Psaronien von Manebach, ihre Epiphyten,
      Parasiten und Pilze.  Semana 25(2010), 41-60.
[10] T.N. TAYLOR, E.L. TAYLOR, M. KRINGS:  Paleobotany, Elsevier 2009.
[11] Zhuo Feng, Jun Wang, Lu-Yun Liu, R. Rößler: A novel coniferous tree trunk with septate pith ...
     Int. J. Plant Sci. 173(2012), 835–848.

[12]  C. Strullu-Derrien, S. McLoughlin, M. Philippe, A. Mørk, D.G. Strullu: Arthropod interactions with bennettitalean roots ...
      Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology 348–349(2012), 45-58.
[13]   N.A. Jud, G.W. Rothwell, R.A. Stockey: Paleoecological and phylogenetic implications of Saxicaulis meckertii ... :  
      Int J. Plant Sci. 171(2010), 915-25.
Anmerkung: Ein kritischer Kommentar zu [9] wurde aus formalen Gründen (Urheberrechte von Bildern) nicht zur Veröffentlichung in der Zeitschrift Semana angenommen.
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