Paläozoische Milben-Illusion
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Wie Einhörner und Wassernixen im Märchen geistern Hornmilben durch die Paläobotanik, wo ihnen nachgesagt wird, dass sie im Paläozoikum weltweit sich durch Holz gefressen haben. Zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen sind ihnen gewidmet, aber anscheinend hat das Interesse in letzter Zeit abgenommen, abgesehen von zwei kürzlich von R. Rößler and Z. Feng initiierten Beiträgen [1,2].
Ein ernstes Problem in dieser Angelegenheit wird in [2] angesprochen: "Es gab keine Belege für fossile Tiere im Fundstück, obwohl die Form der Tunnel und die Maße der Koprolithen vermuten lassen, dass höchstwahrscheinlich Hornmilben die Verursacher sind." Das Fehlen der Belege in [2] könnte man als Zufall betrachten, wenn nicht solche Belege in angeblich von Milben bewohnten paläozoischen Hölzern niemals gefunden worden wären. Außerdem fehlen nicht nur die Tiere, sondern auch die Häutungsreste, obwohl von paläozoischen Arachniden bekannt ist, dass fossile Häute öfter als fossile Tiere zu finden sind.
Es gibt eine einfache Lösung für das ernste Problem in [1,2] und allen anderen Publikationen dazu: Es gab dort keine Milben. Ein einziges Bild aus [2] genügt, um das zu begründen: Abb.1.
no mite coprolitesAbb.1: Teilweise geschädigtes permisches Holz mit bemerkenswerter Anordnung zellengroßer dunkler Klumpen, die gewöhnlich für Koprolithen von Hornmilben gehalten werden.
Ausschnitt aus Fig.1C in [2]. Bildbreite 1.2mm.

Abb.1 zeigt Details, die der Deutung als Koprolithen widersprechen. Am Boden der eckigen Höhle im Holz liegen 3 oder 4 zellengroße Klumpen in ordentlichen Reihen, die zu den Reihen der Zellen passen, die sehr wahrscheinlich dort waren, bevor die Klumpen dort waren.

 Unbeschädigte Zellen, im Querschnitt noch nicht ganz ausgefüllt mit je einem Klumpen, sind darunter zu sehen. Jüngere Klumpen sind woanders zu sehen, wie in zwei benachbarten Zellen links der Höhle. Alle diese Einzelheiten berechtigen zu einer Schlussfolgerung, die schon in einem Kommentar zu [1] formuliert wurde:
Zu jedem angeblichen Hornmilben-Koprolithen gab es eine Zelle, wo dieser gebildet wurde.
Dafür gibt es viele weitere Belege in Kieselhölzern und sogar in Bildern aus Publikationen derer, die behaupten, Koprolithen zu sehen. Bei genauer Betrachtung zeigen deren Bilder immer einige Schnitte der Klumpen mit einer oder mehreren geraden Konturlinien, die einen Winkel bilden, der eine Kante des Klumpens bedeutet: Abb.2.  
no mite coprolites
Abb.2: Zellengroße Klumpen, teilweise mit deutlichen Winkeln und geraden Konturlinien, die nicht zu der üblichen Deutung als Koprolithen passen. Detail aus Fig.1C in [2]. Bildbreite 0.3mm.

Aus verschiedenen Gründen zeigen sich die Schnitte der Klumpen nicht immer als Polygon: Manchmal wurde der Klumpen nicht nach dem Zellquerschnitt geformt, oder die Zelle war innen mehr rund als kantig. Die Schnittebene kann auch so liegen, dass nur die gerundeten Enden der Klumpen auffallen. Die Milbenfreunde bemerken nicht die kantigen Klumpen und sehen nur die runden und nennen sie "eiförmige bis kugelähnliche Koprolithen" [2]. Ähnliche Fehldeutungen sind auch bei anderen diesbezüglichen Publikationen üblich.
Besonders auffällig ist der Mangel an Gründlichkeit bei Abb.3,4, wo die Autoren die geraden Seiten und deutlichen Winkel der Klumpen ignorieren und versuchen, die Klumpen dem Leser als Koprolithen anzubieten.

no coprolitesAbb.3: Geschädigtes permisches Holz mit kantigen Klumpen, in [3] als Koprolithen gedeutet, obwohl deren Größen und Formen zu denen der benachbarten Zellen passen. Detail aus Fig.3I in [3], Balken = 0.2mm.

no mite coprolitesAbb.4 (links): Kantige Klumpen verschiedener Größen und Formen, passend zu den verschiedenen Zellen des benachbarten Gewebes der permischen Konifere
Plyophyllioxylon, in [4] als "kugelähnliche oder eiförmige" Koprolithen gedeutet. Zeichnung nach einem Ausschnitt aus Fig.3C in [4].



Gute Gründe für die Annahme, es habe in jenen permischen Hölzern keine Milben gegeben, wurden schon in 
Fossil Wood News  20 genannt und werden hier wiederholt:
(1) Kantige Klumpen sind keine Koprolithen.
(2) Klumpen mit Formen und Größen passend zu Zellen sind keine Koprolithen.
(3) Klumpen innerhalb von Zellen sind keine Koprolithen.
(4) Klumpen in Reihen passend zum Gewebe sind keine Koprolithen.
Folglich sind die ausführlichen Diskussionen zu Milbenfraß und Schlussfolgerungen daraus in [2-4] und anderen Publikationen gegenstandslos.
Die angeblichen Koprolithen nicht vorhandener Hornmilben eignen sich als warnendes Beispiel für eine Rückkopplung, die einen anfangs harmlosen Irrtum zu einem weltweit bearbeiteten Forschungsthema verstärkt.
Eine unvollständige Zusammenstellung illusorischer Sichtungen von Milbenkoprolithen ist auf dieser Website unter "Holzfäule oder Koprolithen" zu finden.
 
H.-J. Weiss    2015

[1]  R. Rößler, R. Kretzschmar, Z. Feng, R. Noll: Fraßgalerien von Mikroarthropoden in Koniferenhölzern des frühen Perms von Crock, Thüringen.
       Veröff. Mus. Naturkunde Chemnitz 37(2014), 55-66.

[2]  Zhuo Feng, J.W. Schneider, C.C. Labandeira, R. Kretzschmar, R. Rößler:  A specialized feeding habit of Early Permian oribatid mites.
       Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology 417(2015), 121-124. 

[3]  Zhuo Feng, Jun Wang, Lu-Yun Liu:  First report of oribatid mite (arthropod) borings and coprolites in Permian woods ...
       Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology 288(2010), 54-61.
[4]  Zhuo Feng, Jun Wang, Lu-Yun Liu, R. Rößler  A novel coniferous tree trunk with septate pith ...    Ecological and evolutionary significance.
       Int. J. Plant Sci. 173(2012), 835–848
.

Anmerkung 2016: Anscheinend verzichtet R. Rößler nun endlich darauf, mittels immer neuer Veröffentlichungen zu versuchen, die absurde Hypothese von den Hornmilben-Koprolithen glaubhaft erscheinen zu lassen. Kürzlich hat M. Krings nachgewiesen, dass die angeblichen Koprolithen in einer Arbeit von Barthel, Krings, Rößler (2010) Knäuel von Pilzhyphen sind, was schon 2011 in Fossil Wood News 4 vorgeschlagen wurde.
quartz crystal with wood inside
Fossil Wood News 24

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