Seltsame Fossilien zusammen in einem Stück Hornstein
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Mehr oder weniger gut erhaltene Landpflanzen, Algen, Pilze, Mikroben, Tiere, und "rätselhafte Organismen" [1] sind im fossilführenden Hornstein von Rhynie gefunden worden. Jedes Fundstück bietet mindestens eines dieser Dinge, und oft sieht man mehrere nahe beieinander. Unter den aufgezählten Typen von Fossilien gibt es seltene und noch nicht beschriebene, vielleicht mit Ausnahme der Landpflanzen, deren
7 bisher beschriebene Arten möglicherweise die alleinigen in diesem unter-devonischen Lebensraum waren. Fundstücke mit mehr als einer seltenen Art erregen Verwunderung. Ein solches hat die Bilder geliefert, die in Rhynie Chert News 29, 51, 101, und hier vorgestellt werden.
Nematoplexus and other fossils
Abb.1: Verwirrendes Nebeneinander sehr unterschiedlicher Fossilien
auf der Schnittfläche eines Hornsteins von Rhynie, 0.28kg.  Bildbreite 4mm.

Abb.1 bietet eine ungewöhnliche Viefalt von Fossilien auf kleinem Raum: zwei höchst bemerkenswerte verschlungene Nematoplexus-Wendel (oben), eine untypische Armleuchter-Alge (blass), einen Häutungsrest des Krebses Castracollis, darunter ein unbekanntes faltiges Gebilde. Am auffälligsten ist der "saubere" Innenraum der Castracollis- Haut, deutlich unterschieden von der "schmutzigen" Umgebung. 
Unten rechts sieht man ein Bruchstück, weniger als eine Windung, einer Wendel
( = schraubenartig gewundenes Rohr), Gewindedurchmesser ca. 0.2mm, passend zur Mehrheit der Nematoplexus -Wendeln in diesem Fundstück.
Die 
Wendel oben im Bild, mit drei Windungen, längs geschnitten, bietet eine Überraschung (Abb.2): Eine viel kleinere Wendel mit 0.07mm Gewindedurchmesser und nur 6µm dickem Rohr windet sich um die mittlere Windung des 17µm dicken Rohres.
tiny Nematoplexus screw
Abb.2: Zwei unterschiedliche  Nematoplexus-Wendeln:  große Wendel deformiert, an der Bildebene abgeschnitten, deren mittlere Windung umwunden mit einer winzigen Wendel, davon zwei Windungen sichtbar, die obere deutlich, die untere sehr blass in der Tiefe.  Bildbreite 0.4mm.

Das Fundstück enthält mehr Bruchstücke dieser winzigen Wendeln. Sie sind nicht nur viel kleiner als die "normalen" in diesem Fundstück, sondern auch kleiner als die in der Originalarbeit [2], erwähnt in [3]. Die sehr unterschiedlichen Größen der Wendeln des "rätselhaften Organismus" sind selbst rätselhaft. Es wird noch rätselhafter, wenn man die anderen Röhren oder Schläuche in diesem Fundstück,
die zweifellos zu Nematoplexus gehören, in die Betrachtung einbezieht. Nur durch das Sammeln aller Fakten zu Nematoplexus und anderen Nematophyten wird es gelingen, diese in den Stammbaum der Lebewesen einzufügen.

Ein ganz andersartiges Fossil in Abb.1 kann leicht unbemerkt bleiben, obwohl es hier eine große Fläche einnimmt: Es ist eine Armleuchter-Alge mit blassen aufwärts gekrümmten Zweigen, anscheinend von zwei oder drei kaum sichtbaren Quirlen ausgehend, die anders als bei anderen Charophyten hier kleine Abstände haben. Jeder Zweig besteht aus nur wenigen Zellen hintereinander, hier bis 0.13mm breit.
Dieser schwach sichtbare Charophyt wäre uninteressant, wenn man sicher sein könnte, es sei Palaeonitella, die angeblich wohlbekannte Art im Rhynie Chert. Die Alge birgt jedoch eine Überraschung, die Paläobotaniker in Aufregung versetzen kann: Wie man auf Bildern von der rohen Außenseite dieses Fundstückes
(nahe der Schnittfläche Abb.1) sieht (Abb.3,4), ist diese Alge durch ein Merkmal ausgezeichnet, das von keiner anderen fossilen oder lebenden Armleuchter-Alge bekannt ist: eine blütenartige Anordnung gestielter Kapseln, kürzlich entdeckt und erstmalig beschrieben in Rhynie Chert News 73, 89, 90, 93.
 
alga "flower" with oogoniaalga "flower" with oogoniaAbb.3: Draufsicht auf eine "Algenblüte" mit Kapseln, mit schlanken Stielen an einem zentralen Strunk (hier nicht sichtbar) sitzend, nur einer der umgebenden Zweige als Querschnitt sichtbar (oben). Bildgröße 1mm2.

Abb.4 (rechts außen):
Schräge Ansicht einer "Algenblüte" mit Kapseln, leer oder voll,  umgebende Zweige meist quer geschnitten, blass bläulich. Bildgröße 1mm2.

In den früheren Beiträgen sieht man deutlicher, wie die Kapseln von gekrümmten Zweigen umgeben sind, die einen schützenden Korb bilden. Diese Körbe, angeordnet in einer kleinen Dolde wie in Rhynie Chert News 89, sind mehr oder weniger unsymmetrisch. Deshalb sieht man auf Schnitten oft verwirrende Anordnungen der Teile. In Abb.3 gibt es einen sehr großen Querschnitt eines Zweiges: 0.2mm. In Abb.4 sieht man eine Zelle eines Zweiges in voller Länge, 0.5mm   
Zählt man auch die schwach sichtbaren Kapseln in der Tiefe, sind es 12 in Abb.3 und 6 in Abb.4. Schwarz gefüllte Kapseln sind nicht selten (siehe Rhynie Chert News 73), aber die Kapsel mit weißer Füllung ist einzigartig. 
Hier sind nicht die Füllungen ein Problem, sondern die Kapseln selbst. Sie passen nicht zur Vorstellung der Charophyten wie wir sie kennen, mit den bekannten Gyrogoniten als weiblichen Organen. Ein starker Hinweis auf eine mögliche Deutung kommt aus dem gleichen Fundstück: kugelige Organe ähnlich den bekannten Antheridien der üblichen Charophyten (Abb.5,6).
new charophyte antheridiumnew charophyte antheridiumAbb.5,6: Kugelige Organe, gefunden nahe der neuen Alge, sehr wahrscheinlich Antheridien, umgeben von schmalen Zweigen. Gleiche Skala wie oben, Bildbreite 0.8mm.


Die Anwesenheit der Antheridien ist ein starkes Argument für die Deutung der Kapseln in Abb.3,4 als Oogonien.
Diese Deutung macht die Alge in Abb.1, zusammen mit kürzlich entdeckten ähnlichen Exemplaren, zu einem Urtyp aller Charophyten, überkommen aus fernen Zeiten, als die Gyrogoniten noch nicht erfunden waren [4].
Es ergibt sich der Verdacht, dass viele der als Palaeonitella gedeuteten Algen dem sehr andersartigen neuen Typ zuzuordnen sind. Damit würde es verständlich, warum an 
Palaeonitella niemals Gyrogoniten gefunden wurden.
Siehe auch
Rhynie Chert News 138.

Ebenfalls unentschieden und erklärungsbedürftig ist das
Problem der verschiedenen Rohre oder Schläuche bei Nematoplexus: schraubig gewunden, schwach gebogen, gerade, mit glatten oder versteiften Wänden, mit den rätselhaften "Verzweigungsknoten", in verschiedenen Größen (wie in Abb.1,2), alle zusammen in diesem kleinen Stück Hornstein. Die Tatsache, dass die Nematophyten noch keinen festen Platz auf dem Stammbaum des Lebens bekommen haben, trägt zur Faszination bei.
All pictures taken from Sample Nr. Rh9/86, found in 2003.

H.-J. Weiss     2017     2020

[1] T.N. Taylor, E.L. Taylor, M. Krings: Paleobotany, Elsevier 2009.
[2]  A.G. Lyon: On the fragmentary remains of an organism referable to the nematophytales, from the Rhynie chert, Nematoplexus rhyniensis. 
      Trans. Roy. Soc. Edinburgh 65(1961-62), 79-87, 2 tables
[3]  www.abdn.ac.uk/rhynie/nemato.htm
[4]  H.-J. Weiss: First xanthophyte and new charophyte in the Rhynie chert.
      87. Annual Conference of the Paläontologische Gesellschaft, Dresden, 2016, 163.
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