Eine seltsame Alge aus dem Devon (Teil 3)
English version

Nachdem die besondere Alge in einem zweiten Stück Hornstein gefunden worden war, beschrieben in Teil 2, entstand der Verdacht, dass diese nicht extrem selten ist, sondern, wenn vorhanden, meist übersehen wurde. Daraus ergab sich die Frage, wie dieses seltsame Fossil übersehen werden konnte. Eine mögliche Antwort kann von einem kleinen Fundstück von 30g kommen.
(Nebenbei mag ein kurioser aber belangloser Zufall erwähnt werden: Das 30g-Stück wurde einen Tag vor der Rhynie Chert -Konferenz 2003 gefunden, wo die ausführliche Arbeit [1] über Palaeonitella vorgestellt wurde. Das Stück war als wenig interessant eingeordnet und abgelegt worden, bis es bei einer erneuten Untersuchung vor wenigen Tagen (Ende 2015) als hoch interessant erkannt wurde.)
Mit den kürzlich entdeckten "Algenblüten" vor Augen kann man relevante Einzelheiten an der Oberfläche dieses Fundstücks sehen, die bisher nicht gesehen wurden. Die sterilen Teile werden leicht für Palaeonitella [1] gehalten, und die fertilen Teile sind selten und meist schlecht erhalten, so dass die rätselhaften Kapseln leicht mit den rundlichen Bildungen von Pilzen verwechselt werden können, die häufig zwischen Pflanzenresten verstreut sind.
alga top contours Rhyniealga top RhynieDie dunklen Objekte in Abb.1 könnten für zufällig verteilte Chlamydosporen gehalten werden. Sie sind aber nicht unkorreliert, was nur nach genauer Betrachtung auffällt. Der gelbe Stab unter einem von ihnen führt zu einer Erklärung. Man kann erraten, dass ein blasser Streifen am zweiten Objekt auch ein Stab oder Stiel ist. Beide weisen auf ein Zentrum, von dem ausgehend man mehr erkennt: Noch ein gelber Stiel führt zu einem gelben Objekt, in der Tiefe schwach sichtbar. Ein heller gelber Punkt ist der Querschnitt eines Stiels, der auf den Betrachter gerichtet ist. Rechts unten sind von zwei weiteren rundlichen Objekten nur blasse Schatten übrig geblieben.       

Abb.1,2: Zwei Kapseln, deren Anordnung zueinander erkennen lässt, dass sie Teile einer "Algenblüte" sind. Breite aller Bilder 1mm.

Mit der Kenntnis aus Abb.1, dass das Fundstück eine "Algenblüte" enthält, ist es nun leichter, mehr davon zu finden, auch wenn sie unter den vielen Zweigen und deren Schnitten mit unterschiedlicher Orientierung nicht deutlich zu erkennen sind. Erhöhter Kontrast und geschärfte Konturen haben nicht viel zur Sichtbarkeit relevanter Einzelheiten in Abb.3,4 beigetragen. Eine zerfallende Umhüllung mit 5 oder 6 eingeschlossenen Kapseln, davon eine mit scharfer Kontur, kann man in Abb.3 erkennen. Die Konturen aller 8 oder mehr Kapseln in Fig.4 sind verblasst. Es ist nicht bekannt, ob das und die Punkte im Innern zum Lebenszyklus gehören oder das Ergebnis von Zerfallsprozessen sind. 
alga top Rhynie
alga top Rhynie
 Abb.3: "Algenblüte" mit teilweise zersetzten einhüllenden Zweigen.

Abb.4: "Algenblüte" mit schlecht erhaltenen Kapseln
            in einem Korb aus gewundenen Zweigen.

Bei oberflächlicher Betrachtung könnten die elliptischen Flecken mit schwarzen Punkten in Abb.4 uninteressant erscheinen, aber es gibt eine Einzelheit, die beweist, dass das Ganze eine "Algenblüte" ist: Es ist der zentrale Strunk (Columella) mit den Kapselstielen. Um diesen im unübersichtlichen Bild zu erkennen, gehe man vom elliptischen Fleck rechts oben aus. Ein langer schlanker Stiel, sehr schwach sichtbar, geht von dort nach links unten, kreuzt dabei den dunklen Fleck im Hintergrund und endet über dem blassgelben Fleck, wo er mit 4 Stielen aus anderen Richtungen zusammentrifft. Von diesen Stielen ist nur ein sehr kurzes Stück zu sehen, so dass das Zentrum wie ein unauffälliger kleiner "Stern" aussieht. Es ist die Spitze der Columella, wo alle Stiele zusammengedrängt ansitzen.  

Die hier gezeigten Bilder haben den Verdacht bestätigt, dass die besonderen Einzelheiten dieser Alge aus verschiedenen Gründen leicht unbemerkt bleiben können. Gründliche Betrachtung hat offenbar nicht die Probleme und Widersprüche beseitigt, die sich aus den fossilen Charophyten im Rhynie Chert ergeben.
(1) Anscheinend wurden die hier beschriebenen "Algenblüten" noch niemals gesehen.
(2) Die Hülle der "Algenblüten" ist ein Korb aus Zweigen, die gewunden sein können (dieses Fundstück, Abb.4) oder nur einwärts gekrümmt
      (Rhynie Chert News 73).
(3) Sterile Quirle mit gewundenen Zweigen in diesem Fundstück (Abb.5) sind vergleichbar mit ähnlichen Strukturen in Rhynie Chert News 10,
      die dort Palaeonitella zugeordnet wurden. Sie sind nicht Bestandteil der Rekonstruktion von Palaeonitella in [1].
(4) Wenn die gestielten Kapseln in den "Algenblüten" sich als Oogonien erweisen, dann unterscheidet sich die hier beschriebene Alge sehr
      von Palaeonitella in [1] und von allen anderen Charophyten mit Gyrogoniten.
alga basket Rhynie
Abb.5: Korb aus gewundenen Algenzweigen, von unten gesehen. Bildbreite 1mm.

Es bleibt zu hoffen, dass die Suche nach weiteren scheinbar unverträglichen Einzelheiten devonischer Charophyten schließlich zu einer konsistenten Deutung führt.
Anmerkung: Nach Korrektur der Größenangabe in [2], Fig.3.56, um einen Faktor 10 oder mehr erkennt man, dass die Kapseln und Chlamydosporen nicht nur wegen Form und Größe leicht zu verwechseln sind. Bei schlechter Erhaltung könnten die Kapselstiele für Hyphen von Sclerocystis  gehalten werden. 

Alle Bilder wurden an der unbearbeiteten Oberfläche des Fundstücks aufgenommen.  
2003 gefunden, 2015 Fossil erkannt.

H.-J. Weiss       2016


[1]  R. Kelman, M. Feist, N.H. Trewin, H. Hass : Charophyte algae from the Rhynie chert,
    Trans. Roy. Soc. Edinburgh, Earth Sciences 94(2004 for 2003), 445-455.

[2]  T.N. Taylor et al.: Paleobotany (2009).
90

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