Zweifelhafte
Armleuchter-Alge Palaeonitella
Es war verwunderlich, dass von Palaeonitella
zunächst keine Gyrogoniten bekannt waren, obwohl solche Früchte mit der
unverwechselbaren spiraligen Drehung von
allen (?) der vielen fossilen und lebenden
Arten der Armleuchter-Algen
bekannt sind und als Leitfossilien dienen.
Mit Mühe fanden die Autoren [1] wenige der zuvor im
Hornstein von Rhynie
unbekannten
Gyrogoniten, jedoch getrennt
von der Alge und schlecht
erhalten. Sie benutzten diese für ihre neue
Beschreibung und Rekonstruktion [1] der Art
Palaeonitella cranii
[2]. Die Feststellung, "Beispiele der reproduktiven
Organe von Palaeonitella
cranii
sind sehr selten" ([1]
S.446), könnte erklären, warum in eigenen Stücken keine gefunden
wurden, aber es gibt eine interessantere Erklärung:
Die Entdeckung einer Armleuchter-Alge
mit Oogonien eines
bisher unbekannten Typs,
(siehe Rhynie Chert
News
73,
89,
90),
ließ einen Verdacht
aufkommen: Einige oder die meisten
der als Palaeonitella
bezeichneten
Exemplare könnten zu
der neuen Art gehören, die keine Gyrogoniten
hat. Einmal aufgekommen, kann der Verdacht auch die neue
Beschreibung [1] befallen, die auf Gyrogoniten mit
undeutlicher Struktur beruht.
Wir legen hier die Frage beiseite, wie deutlich
das Spiralmuster zu sehen sein muss, um das Oogonium als Gyrogonit
bezeichnen zu können, und wenden uns den viel einfacheren Fällen zu, wo
die Kapseln keinerlei
Spiralmuster haben, wie in den drei
oben erwähnten Beiträgen
und in Abb.1 unten. Dort sind die Oogonien ideal glatt, ellipsoidisch
bis bohnenförmig, und sie sitzen an langen schlanken Stielen. Sie
können so deutlich sichtbar sein, dass man sich wundern muss, warum sie
nicht schon immer gesehen wurden. Hier sind einige denkbare Erklärungen:
- Gut erhaltene Armleuchter-Algen
mit glatten Oogonien
waren nicht verfügbar.
- Vielleicht
waren sie gesehen worden, aber nicht als Oogonien erkannt und deshalb
nicht publiziert worden.
- Bei weniger guter Erhaltung sind die
Oogonien
leicht mit Querschnitten von Zweigen oder Pilzkapseln ähnlicher Größe
zu verwechseln.
- Bei
sehr schlechter Erhaltung bleiben die Oogonien
unbemerkt, wenn man nicht gezielt danach sucht.
Abb.1: Oogonium, scheinbar
bohnenförmig, mit
auffallend glatter Oberfläche,
zwischen den aufwärts gebogenen Armen eines
Quirls. Bildbreite 1.2mm.
Abb.2: Teilweise
zersetzte "Algenblüte" von oben gesehen, mit Querschnitten von
Armen und Oogonien.
Bildbreite 1.2mm.
Abb.3: Weitgehend
zersetzte "Algenblüte" von oben gesehen, dünne
Stiele an einer zentralen Säule. Bildbreite
1mm.
Diese Bilder sollen andeuten, wie schwierig es sein kann,
die glatten Oogonien im Stein zu erkennen, wenn es nicht zum Vergleich
die oben erwähnten Beiträge mit den Bildern viel besser erhaltener
Funde
gäbe. Man würde nicht vermuten, dass die schwarze "Bohne" in Abb.1 eine
von vielen ist, die normalerweise am gleichen Quirl vorhanden, aber
hier nicht zu sehen sind. (Ohne Zusammenhang, aber interesssant: Die
geraden Röhren links unten gehören zu einem der rätselhaften
Nematophyten.)
Anhand
der Größe eines runden Querschnitts kann oft aber nicht immer
unterschieden werden, ob ein dünner Arm des Armleuchters oder ein
Oogonium
vorliegt, wie in Abb.2. Solche Unterscheidung ist noch schlechter
möglich in Abb.3. Deutlich sichtbar in Abb.3 sind zahlreiche Stiele an
einer zentralen Säule, übrig geblieben nach dem Abfallen der
Oogonien. (Siehe Oogonien an Stielen in Rhynie Chert
News
73,
Abb.2,4,5.)
Fundstücke:
Rh6/102 (0.03kg), 2003 gefunden von S. Weiss,
2016
"Seltsame Alge" erkannt;
Rh9/93 (0.55kg) 2011
gefunden von S.
Weiss, 2015
"Seltsame Alge" erkannt, in 10 Teile getrennt,
hier Teil 1 (Fig.2) und Teil 6 (Fig.3).
Die Deutung der Armleuchter-Algen
im Rhynie Chert hat sich als ein komplexes Problem erwiesen: Obwohl die
bisher beschriebenen Exemplare
[1,2] keine ansitzenden
Gyrogoniten haben, gelten sie nach [1] doch als Palaeonitella cranii
im Sinne der neuen Diagnose [1], derzufolge diese Alge
Gyrogoniten an den Quirlen bildet.
Eigene Funde von Armleuchter-Algen
im Rhynie Chert, charakterisiert durch "Algenblüten" an den Enden der
Sprosse, jede mit zahlreichen glatten Oogonien, waren als Seltsame Alge bezeichnet
worden, der wegen des auffälligen Unterschieds zu allen bekannten
Armleuchter-Algen ein
besonderer Platz im Stammbaum zukommt. Diese Art muss ein Relikt aus
ferner Zeit sein, bevor die Zahl der Oogonien je "Blüte" sich auf 1
reduziert hatte und bevor die Zweige des Quirls sich spiralig um das
verbliebene Oogonium gewickelt hatten und so im Laufe der Evolution der
Gyrogonit entstanden war.
Palaeonitella
cranii
im Sinne von [1] und
alle anderen Armleuchter-Algen
mit Gyrogoniten sind deshalb als
weiterentwickelt
bezüglich der Seltsamen
Alge zu
betrachten. Es ist denkbar, dass einige oder die
meisten der bisher als Palaeonitella
bezeichneten
Funde die Seltsame
Alge repräsentieren, in einem juvenilen Zustand, noch ohne
"Blüte" an der Spitze. Das
betrifft auch Armleuchter-Algen
aus eigenen Funden, die wegen der Ähnlichkeit zu
Palaeonitella [2] unter diesem üblichen Namen in Rhynie
Chert
News 10,
74 beschrieben worden waren:
H.-J. Weiss 2019
[1] R.
Kelman, M. Feist, N.H. Trewin, H. Hass: Charophyte algae
from the Rhynie chert.
Trans. Roy. Soc. Edinburgh 94
Part 4 (2004 for 2003), 445-455.
[2] R.
Kidston, W.H. Lang: On Old Red Sandstone plants showing
structure ... Part V...
Trans. Roy. Soc. Edinburgh 52
(1921), 855-902.
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