Die bisher übersehene devonische Alge, erstmals beschrieben
unter dieser Überschrift in Teil 1 bis 3, bietet weitere
bemerkenswerte
Einzelheiten. Der Quirl mit 10 Zweigen, nahe dem Verzweigungspunkt
geschnitten (Abb.1), wäre für Palaeonitella
[1] gehalten worden, wenn es im gleichen Fundstück nicht andere Quirle
gäbe, wie lockere Körbe aus Zweigen mit einigen ellipsoidischen Kapseln
darin (Abb.2).
Abb.1:
Quirl einer Armleuchter-Alge mit 10 aufwärts gebogenen Zweigen (links
ein dunkler). Leicht geneigter Querschnitt, von oben gesehen.
Abb.2: Quirl einer Armleuchter-Alge mit 10
Zweigen, zu einem Korb gebogen, darin mehrere Kapseln. Schräger
Querschnitt, von unten gesehen.
Größe von Abb.1-7: 1mm2.
Zwei Kapseln in Abb.2 sind mit einem schwach sichtbaren Stiel
an einem zentralen Strunk befestigt. Ein solcher Strunk
ist in zuvor
gezeigten Bildern besser zu sehen, aber hier hinter einem hellen Fleck
verborgen. Offensichtlich sind die Zweige in die Bildebene hinein
gebogen, folglich ist der Schnitt des Korbes hier von unten zu sehen.
Die Bildebene liegt so weit oberhalb des Verzweigungspunktes, dass
einige der Kapseln erfasst wurden. Entweder enthielt der Korb in Abb.1
keine Kapseln oder die Schnittebene war so nahe dem Verzweigungspunkt,
dass keine darauf zu sehen sind.
Außer
den Bildern in Teil
3 kann
auch diese Abb.2 vielleicht erklären, warum die besonderen Einzelheiten
dieser Alge bis jetzt übersehen wurden. Meist erscheinen die Kapseln
mit schwachem oder verschwindendem Kontrast, und mit ihrer Breite von
gewöhnlich 130µm sind sie leicht mit Querschnitten von Zweigen zu
verwechseln.
Beim Untersuchen der Fundstücke mit den "Algenblüten" zeigte sich eine
andere auffällige Struktur (Abb.3-6).
Abb.3-6:
Schnitte kugeliger Organe, vermutlich Antheridien, der
devonischen
Alge mit "Algenblüten", beschrieben in früheren Beiträgen.
Abb.7: Antheridium (?) mit schwach sichtbaren
radialen Streifen und einigen Algenzweigen nahebei,
Querschnitte.
Die Wand der Organe in Abb.3-6 besteht anscheinend aus dicht
aneinander gedrängten Zellen, die viel kleiner sind als die Zellen der
Zweige, und auch nicht rund im Querschnitt. Das Innere erscheint
feinkörnig in diesen Bildern. Das gesamte Aussehen suggeriert eine
Deutung als stammesgeschichtlich frühe Antheridien, Vorläufer der
Charophyten-Antheridien mit hoch entwickelter Wandstruktur bestehend
aus wenigen gut passenden Zellen.
Die Wandzellen können vor der Verkieselung kollabiert sein, so dass man
sie wie in Abb.7 nicht mehr deutlich sieht.
Die undeutliche radiale Streifung passt zur fädigen inneren Struktur
der Charophyten-Antheridien.
Die hier und in den vorigen drei Teilen berichteten Beobachtungen
schaffen
ein schwieriges Problem. Mit kugeligen Organen ähnlich den Charophyten- Antheridien,
mit einem Aussehen wie ein Charophyt, und mit dem Vorkommen im Rhynie
Chert, wo der Charophyt Palaeonitella
gefunden wird, kann man die "seltsame
Alge aus dem Devon" mit guten Gründen in die Charophyten einordnen. Da
nun die Antheridien bekannt sind, müssen die "Algenblüten" mit ihren
Kapseln höchstwahrscheinlich die zugehörigen weiblichen Organe sein.
Diese Schlussfolgerung widerspricht der bisherigen Vorstellung
von Charophyten mit Gyrogoniten. Der Widerspruch kann nur mit
der
Annahme beseitigt werden, es habe einen evolutionären Weg von den
"Algenblüten" zu den Gyrogoniten gegeben.
Es ist denkbar, dass eine
Folge evolutionärer Schritte die Zahl der Kapseln bis auf eine
reduzierte, während der Korb enger wurde bis die Zweige sich um die
Kapsel wickelten und mit dieser verwuchsen. Dieser denkbare Weg von der
hier beschriebenen Armleuchteralge zu den fossilen und rezenten
Charophyten mit den wohlbekannten
Gyrogoniten war anscheinend ein langer.
Die Sache ist noch verworrener, denn es gab zu jener Zeit schon einige
Charophyten mit Gyrogoniten [2]. Folglich musste der evolutionäre Weg
zu den Gyrogoniten schon lange vorher beschritten worden sein, und die
Alge mit "Blüten" erscheint nun als ein Relikt aus jener Zeit,
das im Habitat von Rhynie überlebt hat.
Man
kann sich wundern, ob und wie durch die gleichmäßig glatte Kapselwand
ein Spermatozoid eindringen konnte. Wurden die Kapseln abgeworfen, um
Vorkeime mit Archegonien zu bilden ?
Die vorhandenen Funde von Charophyten im Rhynie Chert berechtigen zu
einer weiteren unerwarteten Schlussfolgerung: Da niemals
Palaeonitella
mit ansitzenden Gyrogoniten gefunden wurde [1], könnten einige oder die
meisten fossilen Charophyten, die Palaeonitella
zugeordnet wurden, zu der
hier beschriebenen Alge gehören, deren altertümliche Besonderheiten
nicht aufgefallen waren.
Fundstücke: S.
Weiss 2011 (Figs.1-4), 2013 (Figs.5,6), H.-J. W. 2003
(Fig.7).
Fertile Organ erkannt: 2015 und 2016.
H.-J.
Weiss
2016
[1] R.
Kelman, M. Feist, N.H. Trewin, H. Hass :
Charophyte algae from the Rhynie chert,
Trans. Roy. Soc. Edinburgh, Earth
Sciences 94(2004 for 2003), 445-455.
[2] T.N. Taylor,
E.L.Taylor, M. Krings: Paleobotany, Elsevier 2009.