Einleitend sei hier erwähnt, dass die Paläobotanik verschiedene gültige
Namen für die einzelnen Teile der gleichen Pflanze bereitstellt: Die
ansehnlichen Stämme mit ihrer komplizierten inneren Struktur sind als Psaronius
* bekannt.
Deren Laub heißt Pecopteris
bei Erhaltung als Abdruck, aber Scolecopteris
(wörtlich: "Madenfarn")
bei dreidimensionaler Erhaltung und vorhandenen
Sporangien. Die damit verbundenen Unklarheiten sollen hier ignoriert
werden.
Nachdem "Madensteine" aus dem Döhlener Becken (Unter-Perm) seit 1993 in
zunehmender Menge zur Verfügung standen, zeigte es sich, dass die
Merkmale des "Madenfarns" in weiten Grenzen variieren: Die Fiederchen
können nahezu
gerade sein oder bis zu halbkreisförmig gekrümmt. Deren Ränder können
nahezu glatt sein oder besetzt mit mehr oder weniger langen und spitzen
Fransen. Die Zahl der zu einem Synangium verwachsenen Sporangien
variiert von 3 bis 6, selten 7, und auch bei gleicher Zahl kann die
Anordnung auf dem gleichen Blättchen unterschiedlich sein [1].
Es wird nicht leicht zu unterscheiden sein, in welchem Maße die
Variabilität auf äußere Einflüsse zurückzuführen ist (Sonne oder
Schatten, mehr oder weniger nasser Standort), auf das Alter (jung,
ausgereift, welkend) oder dergleichen, und wie viel davon genetisch
bedingt ist. Solche Kenntnisse könnten Schlussfolgerungen ermöglichen
bezüglich der Anpassung an veränderliche Umweltbedingungen und
bezüglich der Aufspaltung in Varianten und Arten.
Mindestens zwei Merkmale sind wahrscheinlich erblich: (1) das
Vorhandensein verzweigter Seitenadern der Blättchen, (2) der Winkel
zwischen den Seitenadern und der Mittellinie des Blättchens. Nach Millay
[2] gibt es keine gegabelten Adern in Sc. elegans und
einigen verwandten Arten. Unter den neueren Scolecopteris-Funden
aus dem Döhlener Becken sind solche mit gegabelten Adern nicht selten,
was der Meinung in [3,6] widerspricht, alle neueren Funde seien Sc.
elegans.
Abb.1: Fieder von Scolecopteris
mit
deutlich gegabelten und einfachen Adern auf den
Fiederblättchen; Bildbreite 6mm.
Obwohl im Hornstein viel mehr Strukturinformation erhalten sein kann
als in kohligen Abdrücken, ist die Aderung hier meist unauffällig, weil
die Wedel und deren Teile im Hornstein gewöhnlich nicht flach liegen
sondern schief und krumm. Auch in den seltenen Fällen mit Blättchen als
Relief an der Oberfläche ist die Aderung weniger auffällig als bei
manchen großen Wedel-Abdrücken. Andererseits
sind bei stark zersetzten Pflanzenresten einige übrig gebliebene
gegabelte Adern manchmal das einzige Anzeichen für die Anwesenheit von
Farnlaub.
Beim Versuch, den Winkel zu messen, unter dem die Adern abzweigen,
trifft man auf weitere Schwierigkeiten: Wegen der Form der Blättchen
sind die Adern nicht Kurven in einer Ebene, sondern im Raum, und deren
Krümmung ändert sich oft kurz nach dem Abzweigen von der Mittelader. Um
eine einfache Messvorschrift für den Winkel zu wählen, kann man die
Tangente an einer Stelle auf halbem Wege zwischen Mittelader und Rand
anlegen und von oben betrachten, also auf die Ebene des Blättchens
projizieren. Meist ist jedoch das Blättchen nicht eben, deshalb muss
man die tangierende Ebene am Abzweig als Projektionsfläche nehmen. Das
ist ungefähr das Gleiche, was man vielleicht intuitiv ohne solche
Vorschrift getan hätte, aber es kann nützlich sein zu wissen, dass
andere Vorschriften andere Winkel liefern können.
Unabhängig von den Einzelheiten der Messung offenbart ein sorgfältiger
Blick auf die Winkel und andere Merkmale, dass die Literatur zu Scolecopteris mit
verwirrenden Widersprüchen belastet ist, die der Klärung bedürfen.
Die Aderung in Abb.2 und Abb.3 ist deutlich unterschiedlich. Die
intuitive Winkelmessung liefert ca. 60° in Abb.2 und 45° in Abb.3.
Folglich, wenn 60° typisch für Sc.
elegans ist wie in [3] behauptet, können die
Blättchen in Abb.2 Sc.
elegans
sein,
aber jene in Abb.3 sicherlich nicht. (Das folgt auch aus ihrer Länge
von 7mm, denn die Blättchen von Sc.
elegans sind 4-5mm
lang [3].) Wenn Abb.3 Sc.
elegans wäre
wie in [3], Tafel 2, behauptet, dann wäre die 60°-Regel nicht gültig.
Was in [4], Tafel VII, und in [3], Tafel 5, als
Sc. elegans
angeboten wird, zeigt Winkel von 45° und andere
Merkmale, die wesentlich von denen des Typusexemplars
(Lektotypus) in [3], Tafel 1, abweichen.
45°-Aderung bei angeblichem Sc.
elegans gibt es auch in
[5], Abb.6. (Dort ist "Pecopteris
elegans" in den Bildunterschriften von Abb.3,4,6-10
falsch.)
Die Fieder in Abb.1 unterscheidet sich von Sc.
elegans nicht nur durch die gegabelten Adern, sondern auch
durch Winkel < 60°.
Abb.2,3: Seltene Beispiele von Scolecopteris-Fiederblättchen
als deutlich sichtbares Relief an der Oberfläche einer
Hornsteinschicht. Bildhöhe 7mm.
Es erfordert einige Erfahrung, ein Aderungsmuster wie jenes in Abb.1
sichtbar zu machen. Der Schnitt muss sorgfältig so gewählt werden, dass
möglichst viele Blättchen von oben zu sehen sind. In diesem
Zusammenhang ist zu erwähnen, dass Gert Müller
(Dresden) [7], als Erster wieder "Madensteine" fand,
nach fast einem Jahrhundert ohne Funde, und damit wesentlich zu der
plötzlichen Zunahme des Interesses an diesem Forschungsgegenstand
beigetragen hat.
Abschließend ist einzuschätzen, dass deutliche Merkmale der
Aderung, wie Gabeln und Winkel nahe 45°, starke Argumente liefern gegen
die Deutung aller neuen Scolecopteris-Funde
im Döhlener Becken als Sc.
elegans
in [3,6]. Das wird durch
andere Merkmale bekräftigt, wie vorhandene oder nicht vorhandene Haare,
lange oder kurze Synangienstiele,
eingeschlossene oder freistehende
Synangien,
and anderes.
Fundstücke: Alte
Hornstein-Bruchstücke (Unter-Perm) mit mehr oder weniger gerundeten
Kanten, gefunden zwischen jüngeren Flussablagerungen im Döhlener Becken
nahe Dresden.
Abb.1: Fund von Gert
Müller
(Dresden) [7] an der Typuslokalität von Sc.
elegans bei
Kleinnaundorf (1985), Foto: H.
Sahm.
Abb.2: Nr. W/3.2, eigener Fund (1992),
Wilmsdorf, Golfplatz
Abb.3: Nr. H2/35.2, eigener Fund (1993),
Hänichen.
* Besonders große gut erhaltene Exemplare von Psaronien, den
Stämmen der Madenfarne, gibt es im Naturkunde-Museum Chemnitz.
H.-J. Weiss
2011
[1] H.-J.
Weiss: Beobachtungen zur Variabilität
der Synangien des Madenfarns. Veröff. Museum f. Naturkunde Chemnitz
25(2002), 57-62.
[2] M.A. Millay:
Study of paleozoic marattialeans. A monograph of the American species
of Scolecopteris.
Palaeontographica B169(1979), 1-69.
[3]
M.
Barthel, W. Reichel, H.-J. Weiss : "Madensteine" in
Sachsen. Abhandl. Staatl. Mus. Mineral.
Geol. Dresden 41(1995), 117-135.
[4] M.
Barthel: Pecopteris-Arten E.F. von Schlotheims aus
Typuslokalitäten in der DDR. Schriftenreihe geol. Wiss. Berlin
16(1980), 275-304.
[5] M.
Barthel, H.-J. Weiss: Xeromorphe Baumfarne im Rotliegend
Sachsens. Veröff. Museum f. Naturkunde Chemnitz
20(1997).
[6] M.
Barthel: Die
Madensteine vom Windberg, Deutschland.
in: U.
Dernbach, W.D.
Tidwell:
Geheimnisse
versteinerter Pflanzen. D'ORO Verlag, Heppenheim 2002, p65-77.
[7] G. Müller:
private Mitteilung.