Die Fiederblättchen der breiten Wedel der großen Baumfarne, deren
fossile Stämme als Psaronius
* bekannt sind, waren nach ihrer Entdeckung in einer seltenen
Hornstein-Variante, den Madensteinen, aus dem
Döhlener Becken bei Dresden in der zweiten Hälfte des 18. Jh. zunächst
nicht als Pflanzenfossilien erkannt worden. Die kleinen krummen
Blättchen mit nach unten gerichteten Sporenkapseln und Fransen waren
als Gliederfüßer fehlgedeutet worden, denn sie
sind nur selten so deutlich zu sehen wie in Abb.1.
Nachdem sie als Pflanzenteile erkannt worden waren, wurden sie 1837 Scolecopteris
genannt, wörtlich Madenfarn, mit dem Artnamen elegans,
[1]. Die unterhaltsame und lehrreiche Geschichte der wiederholten
Fehldeutungen der "Madensteine" wurde
an anderer Stelle erzählt [2]. Diese kann dazu anregen, auch neuere
Deutungen kritisch zu hinterfragen.
Abb.1: Scolecopteris
-Blättchen an der Außenseite eines Hornstein-Bruchstücks, geglättet
durch Wassertransport: Die im Längsschnitt sichtbaren Sporangien
(links, teilweise verwachsen zu Synangien) und die Fransen in der
Seitenansicht des rechten Blättchens
können bei schlechterer Erhaltung leicht als Beine von Gliederfüßern
fehlgedeutet werden. Bildbreite 8mm.
Die Bergung von mehr als tausend fossilführenden Hornsteinen an der
Typuslokalität von Scolecopteris
elegans,
beginnend 1985 mit der
gezielten Suche durch Gert
Müller und H. Ahlheim
hat eine große Vielfalt von Fiederblättchen geliefert, auch solche, die
noch mehr wie Engerlinge oder andere unfertige Insekten aussehen
(Abb.2)
als jene, die die Gelehrten des 18. Jh. verwirrten. Einer von mehreren
Hinweisen auf Vielfalt ist die Krümmung der Blättchen: auffällig in
Abb.1, nicht signifikant in Abb.2.
Abb.2:
"Madenstein" mit ungewöhnlichem
Aussehen: Scolecopteris
-Blättchen mit magerer Beschaffenheit und ungleich entwickelten
Sporangien. Bildbreite 7mm.
Es ist nicht offensichtlich, welche solcher Beispiele für Vielfalt auf
die Variabilität der Art oder auf andere Arten, möglicherweise
unbeschriebene, hin deuten. Trotzdem wurden alle neueren Funde im
Döhlener Becken der gleichen Art zugeschrieben [2,4]. Es haben
sich Belege
angesammelt, die an der Hypothese von nur einer Art
ernsthaft zweifeln lassen. Die neueren Funde müssen also mit
den mehr als zwei Dutzend Scolecopteris
-Arten anderer Fundstellen verglichen werden [5].
Es ist verwunderlich, dass fertile und sterile Blättchen mit
sukkulent anmutenden Formen (Abb.3-6) zusammen mit normalen
Blättchen (Abb.7) im gleichen Fundstück liegen und folglich in der
gleichen Schlammschicht verkieselt wurden.
Abb.3-6: Querschnitte dicker Scolecopteris
-Fiederblättchen,
in kleiner Zahl zwischen
den dünneren im Fundstück von Fig.7 vorhanden. Abb.3: 2.3mm
breit, mit Sporangien, andere steril, gleiche Vergrößerung.
Abb.7: Schnittfläche
eines Hornsteins von ungewöhnlichem Aussehen mit Tausenden
fertiler und steriler
Scolecopteris -Fiederblättchen.
Man beachte den Längsschnitt eines Blättchens, zum Fiederquerschnitt
(links) gehörig, und den winzigen schwarzen Punkt auf einem der
Querschnitte (rechts),
der das Leitbündel des fertilen Blättchens andeutet. Bildbreite
32mm.
Die Blättchen mit aufgeblähter Mittelrippe (Abb.3-6) wurden
zuerst in einer selteneren Hornstein-Variante bemerkt (Abb.7), mit
einem Anteil von ca. 1% auf den Schnittflächen. Sie waren in
[4] abgebildet worden, aber ihre Anwesenheit zwischen den dünneren
Blättchen wurde bisher nicht ausreichend diskutiert oder erklärt.
Deshalb verdient die Beobachtung weitere Aufmerksamkeit.
Das
Fundstück ist ein altes Bruchstück einer kompakten homogenen
Hornsteinschicht. Die dicken Blättchen sind nicht auf eine besondere
Lage in der Schicht beschränkt. Das scheint anzudeuten, dass sie
zwischen dem normalen Laub wuchsen. Da sie in Reihen zu zweien oder
dreien zu sehen sind (Abb.6), ist der abnorme Wuchs nicht auf
einzene Blättchen beschränkt, sondern betrifft die Fieder oder den
Wedelteil.
Pilzinfektion ist eine bekannte Ursache für abnormen
Wuchs, einschließlich Hypertrophie des Gewebes,
was nützlich als Wasserspeicher sein
kann.
Symbiotische Pilze waren anscheinend schon in den ersten
Landpflanzen vorhanden [6]. Deshalb sollte man Pilzbefall immer in
Betracht ziehen, wenn für
unerwartete Phänomene in Pflanzen keine anderen Erklärungen zu finden
sind.
Fundstücke: Alte Bruchstücke von unter-permischem
(Rotliegend-) Hornstein mit gerundeten Kanten, gefunden in jüngeren
Flussablagerungen im Döhlener Becken nahe Dresden.
Abb.1: Pe/3, gefunden 1994 bei Pesterwitz, anscheinend als bisher
einziger Fund mit Farnblättchen von dort.
Abb.2: Bu8/23.2 ,gefunden
1997 von U.
Wagner auf dem Flurstück Burgk, Am Seilerschuppen, nahe
der historischen "Madenstein"-Fundstelle bei Kleinnaundorf. Für einen
umfassenderen Blick auf dieses Fundstück siehe [7], Bild 67.
(Dort ist das Spiegelbild zu sehen, und nicht in natürlicher
Größe wie angegeben, sondern um den Faktor 1.7 vergrößert.)
Das Fundstück wird von U. Wagner, Dresden,
aufbewahrt.
Abb.3-7: H2/1+35, gefunden 1993 bei Hänichen.
Abb.7: H2/35.1, Foto:
M. Barthel (1994),
Ausschnitt.
Die Fundstücke Pe/3 und H2/1+35 repräsentieren eine seltene Variante,
schwarz/grau/weiß, eigene Funde, aufbewahrt in der eigenen Sammlung.
H2/1 and H2/35 wurden einzeln im Abstand von Monaten gefunden
und später als zusammenpassend erkannt.
* Eine höchst bemerkenswerte Sammlung großer polierter Psaronius-Querschnitte
gibt es im Naturkunde- Museum Chemnitz [7].
H.-J.
Weiss
2011
[1] F.C. Zenker
: Scolecopteris elegans, ein neues fossiles
Farrngewächs mit Fructification. Linnaea 11(1837),
509-12
[2] M. Barthel
: Die Madensteine vom Windberg, Deutschland. in: U. Dernbach, W.D. Tidwell
: Geheimnisse
versteinerter Pflanzen. D'ORO Verlag Deutchland 2002, S.65-77.
[3] G.
Müller : www.gerts-madensteinseite-by.der-starhopper.de
[4] M.
Barthel, W. Reichel, H.-J. Weiss : "Madensteine" in
Sachsen. Abhandl. Staatl. Mus. Mineral.
Geol. Dresden 41(1995), 117-135.
[5] M.A. Millay
: A review of permineralized Euramerican Carboniferous
tree ferns. Rev. Palaeobot. Palyn.
95(1997), 191-209.
[6] T.N.
Taylor, E.L. Taylor, M. Krings : Paleobotany.
Elsevier 2009.
[7] R. Rößler:
Der
versteinerte Wald von Chemnitz. Museum für Naturkunde Chemnitz 2001,
p35.