Es gibt sonderbare Fossilien, die aus einem lockeren Stapel winziger
Schläuche bestehen. Die weltweit verstreut gefundenen Arten werden als
Nematophyten
zusammengefasst. Sie sind phylogenetisch besonders
interessant, weil sie vermutlich zu den frühesten Landpflanzen gehören
und im Stammbaum noch keinen Platz bekommen haben.
Ein solches Fossil wurde kürzlich in einem kleinen Fundstück aus Rhynie
(0.25kg) entdeckt, wo es als "Verbundmaterial" vorliegt, das aus
Schläuchen besteht, die in Kieselgel oder organischem Gel eingelagert
waren. Bruchstücke davon lagen mit Landpflanzen der Rhynie-Flora
im Sumpf. Alles zusammen verkieselte zu Hornstein. Der Außenrand
des Stapels war entweder an dem hier vorliegenden verkieselten
Bruchstück nicht
vorhanden oder schon vor dem Verkieseln abgetragen ***.
Die Anordnung der Schläuche erscheint im Großen als gleichmäßig und im
Kleinen als zufällig (Abb.1),
abgesehen von einigen wenigen wirren "Knoten" wie in
Abb.2, deren Bedeutung und innere Struktur rätselhaft sind. Die
Orientierung der Schläuche ist
nicht ganz zufällig, sondern mit bevorzugter Ausrichtung
in einer Ebene.
Abb.1: Schläuche im Rhynie-Hornstein, anscheinend
nahezu gleichmäßig verteilt (mit Ausnahme wirrer Knoten wie
rechts unten sichtbar). Bildbreite 5.5mm.
Abb.2:
Wirrer Knoten von Schläuchen (rechts),
Ausschnitt aus Abb.1. Bildbreite 2mm.
Aus der Deformation an Stellen gegenseitiger Berührung wie
in Abb.2, links oben, ist zu schließen, dass die Schläuche vor dem
Verkieseln schlaff waren. Der Durchmesser beträgt ca. 50-70µm.
Die bei
Nematophyten oft beobachteten spiraligen oder ringförmigen
Wandverdickungen sind hier nirgends zu sehen. Es wurden keine
Trennwände oder Verzweigungen gefunden, vielleicht mit einer Ausnahme
in Abb.3, wo ein Schlauch anscheinend verzweigt und eine größere Knospe
bildet.** Dieser besondere Schlauch ist jedoch ungewöhnlich dünn (35µm)
und läuft quer zur Textur, so dass nicht sicher ist, ob er dazu gehört.
Abb.3 (rechts): Anordnung von Schläuchen mit einem
in Größe, Form, und Orientierung abweichenden Schlauch (oben Mitte) mit
einem Auswuchs wie eine gestielte Knospe.
Alle Bilder wurden an der unbearbeiteten Oberfläche des Fundstücks
aufgenommen.
Mit diesen Eigenschaften unterscheidet sich das Fossil deutlich von den
bisher aus Rhynie bekannten Nematophyten [1,2,3] und auch von
einigen Arten anderer Fundstellen [4,5], so dass man zweifeln kann, ob
es
überhaupt ein Nematophyt ist. Es besteht eine Ähnlichkeit mit den
Wurzelhaaren an den Knollen von Horneophyton. Diese sind jedoch viel
dünner (25µm) und besser parallel ausgerichtet. Eine Deutung als
Wurzelhaare (Rhizoide) einer noch unbekannten größeren Pflanze ist
mit dem Argument auszuschließen, dass diese keine
wirren Knoten bilden wie in Abb. 2.
Der Stapel schlaffer Schläuche könnte nicht mechanisch stabil sein wie
ein Filz, sondern würde bei Befeuchten unter dem Einfluss der
Oberflächenspannung wie ein Wattebausch kollabieren. Das bedeutet aber
nicht, dass eine
so empfindliche Struktur untergetaucht gewachsen sein muss. Der Raum
zwischen den Schläuchen könnte mit einem stabilisierenden Gel * gefüllt
gewesen sein, wie es von einigen Algen und Blaualgen bekannt
ist. Damit
wäre auch
verständlich, warum zwischen den Schläuchen keine Mikroben-Flocken oder
Sporen zu sehen sind, obwohl diese häufige Bestandteile des
Sumpfwassers waren, das zu Hornstein verkieselte. So kann die Annahme
“habitat probably subaerial”, die nach [4] für alle Nematophyten gelten
soll, auch für diesen Organismus zutreffen.
* Inzwischen gibt es aus eigenen
Funden weitere Hinweise auf Gel
in
Nematophyten.
** Bis jetzt (2020) wurde keine weitere
"Knospe" gefunden:
*** ... mit wichtigen Ausnahmen, 2016 bemerkt: Rhynie Chert
News 98,
155 H.-J. Weiss
2005, ergänzt 2013 2020
[1] www.abdn.ac.uk/rhynie
[2] R.
Kidston, W.H. Lang: On Old Red Sandstone plants
showing structure, Part V.
Trans. Roy. Soc. Edinburgh
52(33)(1921): 855-902.
[3] A.G.
Lyon: On the fragmentary remains of an organism
referable to the Nematophytales,
Trans. Roy. Soc. Edinburgh
65(4)(1962): 79-87.
[4] P.K.
Strother: New species of Nematothallus, J.Paleont.
62(1988), 967-982.
[5] P.K.
Strother: Clarification of the genus Nematothallus
Lang,
J.Paleont. 67(1993), 1090-94.