Selektive Zerfallsresistenz weichen Gewebes früher Landpflanzen (4)
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Wie schon zuvor erläutert, erfordert das "Strohhalm"-Phänomen, das oft bei frühen Landpflanzen im Rhynie-Hornstein zu sehen ist, eine kompliziertere Erklärung als die in [1,2] vorgeschlagene. (Siehe auch Rhynie Chert News 60, 66, 97.) Es kann nicht darauf reduziert werden, dass eine Verkieselungsfront eindringt und ein wenig Pflanzengewebe konserviert, während der größte Teil zerfällt. Eine solche Front würde zuerst die Epidermis konservieren, aber es gibt viele Belege dafür, dass die Epidermis bei diesen "Strohhalmen" schlecht oder gar nicht erhalten ist. Man beachte den gut erhaltenen Ring aus Cortex-Gewebe zwischen der schlecht erhaltenen Epidermis und dem gänzlich zersetzten Cortex-Gewebe im Inneren.
Eine andere Einzelheit stützt die Idee, dass der Strohhalm-Aspekt nicht auf physikalischen Prozessen wie Diffusion und Silizifizierung beruht, sondern von der lebenden Pflanze vorbereitet und angelegt wurde: Es sind die Lücken oder Kammern in der Wand des Halmes. In manchen Halmen muss es viele davon geben, denn allein im Querschnitt in Abb.1 sieht man 5 Stück.
Aglaophyton, hohler Halm
Abb.1,2:  Aglaophyton als hohle Halme mit rätselhaften Lücken oder Kammern in der Wand.
Bildbreiten 6.9mm, 2.8mm.


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straw3Abb.3 (rechts): Ausschnitt aus Abb.1: Hohlraum in der Wand, verbunden mit einer Lücke in der Epidermis. Bildbreite 1.7mm.

Gewöhnlich sind die Zellen der Wand des Halmes mit blass-bläulichem Chalzedon gefüllt, aber dunkle Zellwände lassen die Wand des Halmes dunkel erscheinen. Die Wand in Abb.1-3 erscheint ungewöhnlich dunkel, weil der Chalzedon in den Zellen teilweise klar ist, so dass man in die dunkle Tiefe blickt. Der dunkle Anblick kann leicht als dunkle Füllung fehlgedeutet werden, denn es gibt im Rhynie Chert auch Pflanzengewebe mit wirklicher dunkler Füllung der Zellen.
Die horizontale Trennlinie in wenigen Zellen in Abb.3 verleitet zu der Fehldeutung, hier sei eine dunkle Ablagerung von hellem Chalzedon überlagert. Eine genauere Betrachtung zeigt jedoch, dass Abb.1-3 verkehrt herum stehen. Folglich ist die Trennlinie so zu deuten, dass im Wasser gebildete Silica-Cluster sich als Suspension am Boden der Zelle ansammelten und zu weißlichem Chalzedon verfestigten, während das darüber befindliche Wasser später zu klarem Chalzedon wurde. 
In diesem Zusammenhang nicht wichtig, aber erwähnenswert ist die Beobachtung, dass keiner der verschiedenen Risse in Abb.1,3 längs der Oberfläche der Pflanze geleitet wurde, wo die wachsartige Kutikula auf der Epidermis gewöhnlich nicht verkieselt und so einen leichten Rissweg bietet. Aus unbekanntem Grunde gab es hier offenbar keinen leichten Rissweg.

Die Kammern in der Wand der hohlen Halme sind rätselhaft. Bei Exemplaren mit gut erhaltenem Gewebe, wie in Rhynie Chert News 2, 85, gibt es keine solchen Kammern. Die Kammern hinter den Spaltöffnungen sind meist klein und unauffällig, könnten aber die Ausgangspunkte für die auffälligen Kammern sein, die später aus unbekanntem Grunde entstanden. Mehr dieser auffälligen Kammern sind in Rhynie Chert News 97 and in den folgenden Bildern zu sehen.
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Abb.4: Aglaophyton, Kammer in der Wand des "Halmes" mit Eingang durch die Epidermis mit spezieller Anordnung der Zellen.

Abb.5 (rechts): Aglaophyton, Querschnitte: Sporangienwand (links) und hohler Halm mit Kammer in der Wand mit besonderer Anordnung der Zellen (rechts).
Man beachte auch die Reste der zerstörten Epidermis.


Abb.6 (links unten): Aglaophyton, scheinbare Lücke in der Wand des "Halmes" gefüllt mit schwach sichtbaren Zellen, siehe Zeichnung Abb.7.

straw6 Ein Hinweis zur möglichen Deutung der Kammern oder Lücken, die gelegentlich in der Wand der hohlen Halme von Aglaophyton zu sehen sind, könnte von Abb.6 kommen. Hier sieht man den seltenen Fall einer scheinbaren Lücke, gefüllt mit schwach sichtbaren Zellen (Abb.7) ohne den schwarzen Belag auf den Zellwänden, der gewöhnlich das dunkle Aussehen des Ringes bewirkt. Die schwach sichtbaren Zellen passen so perfekt zu den dunkelwandigen, dass eine Deutung als neu gebildetes Gewebe zwecks Füllung eines Fraßloches auszuschließen ist. Deshalb müssen diese Zellen schon anfangs vorhanden gewesen sein, als der lebende Spross einen Streifen längs des Randes auf unbekannte Weise resistent machte, um sich zu einem hohlen Halm umzuwandeln. Offenbar erhielten dabei einige Zellcluster eine deutlich abweichende Behandlung, die dazu führte, dass die Zellwände keinen schwarzen Belag erhielten (Abb.6,7) und /oder verschwanden und dabei Löcher hinterließen (Abb.1-5). Aus Abb.1-4 ist zu erkennen, dass dabei die Epidermis beteiligt war, was die Sache verkompliziert. Diese Vorgänge wurden offenbar von der lebenden Pflanze gesteuert. Der Zweck ist unbekannt.  
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Abb.7: Ausschnitt aus Abb.6, möglicherweise ein Hinweis auf eine noch zu findende Erklärung der Kammern oder Lücken nur in solchen Exemplaren von Aglaophyton, die sich zu hohlen Halmen umgebildet haben. Bildbreite 0.4mm.

Diese Zeichnung ...
   ... widerspricht offensichtlich der Annahme in [1,2], der Wandstärke des Halmes sei durch die Diffusion des SiO2 bestimmt,
   ... zeigt deutlich, dass manche Zellen keinen dicken dunklen Belag an den Wänden bekommen haben,
   ... legt nahe, die Abwesenheit des dunklen Belags sei nicht zufällig, sondern auf unbekannte Weise bewirkt.

 
Es ist nicht klar, ob damals die Zellen ohne Wandbelag meist verschwanden oder dünnwandig erhalten blieben, wie in Abb.6,7. Das Phänomen kontrolliert verschwindender Zellwände ist bei Pflanzen nicht ganz unbekannt. Euphorbien bilden auf diese Weise lange Röhren für klebrige Giftmilch. Ähnliches kann man von Nothia aus dem Rhynie Chert vermuten. (Siehe Rhynie Chert News 57.)
Die Bildung von Kammern oder Lücken im resistenten Gewebe ist auch deshalb verwunderlich, weil es einen Beleg dafür gibt, dass ein Fraßschaden ähnlicher Größe in solchem Gewebe durch Überbrücken repariert wurde
. (Siehe Rhynie Chert News 60.) Damit ist die Annahme naheliegend, dass die "hohlen Halme" nicht teilweise verkieselte toten Sprosse darstellen, sondern als lebende Sprosse entstanden waren.

H.-J. Weiss       2017    2021

[1]   C.L. Powell, N.H. Trewin, D. Edwards: Palaeoecology and plant succession in a borehole through the Rhynie cherts, ...
      Geological Society, London, Special Publications 180 (2000), 439-457.
[2]  www.abdn.ac.uk/rhynie, Chapter Taphonomy.
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