Gibt es mehr als eine Armleuchter-Alge im Hornstein von Rhynie ?
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Bekanntlich hat keine der im Rhynie-Hornstein entdeckten sieben „höheren“ Pflanzen gegenwärtig lebende Verwandte. Deshalb ist es erstaunlich, dass die fossile Grünalge Palaeonitella und die heutige Gattung Nitella, Wasserpflanzen der Armleuchter-Verwandtschaft (Charophyten), sehr ähnlich sind, woraus zu schließen ist, dass die Evolution in diesem Zweig hoch entwickelter Algen seit mindestens 400 Millionen Jahren sehr langsam war. Palaeonitella cranii war 1921 erstmalig beschrieben worden [1], ohne die charakteristischen “Früchte” (Oogonien) der Charophyten, die wegen ihrer spiraligen Hülle als Gyrogoniten bekannt sind. Die Gyrogoniten von Palaeonitella wurden erst kürzlich entdeckt, was zu einer Neubearbeitung der Art Anlaß gab [2]. Palaeonitella, aufrecht im Wasser verkieselt
In diesem Zusammenhang ist ein Fundstück mit reichlich Palaeonitella rätselhaft (Abb.1), mit einem Merkmal, das von Palaeonitella cranii nicht bekannt ist: spiralige Strukturen (Abb.2,3), die grob betrachtet an Gyrogoniten erinnern, aber viel größer sind als jene in [2], siehe Abb.4. Sie bestehen aus gewundenen Zellen, die einen rundlichen Raum oder Körper umschlingen. (Es sei erwähnt, dass jedes Segment des Sprosses und der Zweige aus nur einer einzigen großen röhrenförmigen Zelle besteht, wie bei Nitella.)

Abb.1:  Obere Quirle von Palaeonitella, aufrecht im Wasser stehend verkieselt. Man beachte, dass die großen röhrenförmigen Zellen hohl blieben. Bildbreite 5mm.


Abb.3 (rechts unten): Gewundenes Objekt an einer rohen Schnittfläche; Bildbreite 1.1mm. Fotos Abb.1,3: H. Sahm. Palaeonitella, Hülle aus gewundenen Zellen

Palaeonitella, Hülle aus gewundenen ZellenAbb.2 (rechts):  Blick in ein gewundenes Objekt, nahezu längs geschnitten, röhrenförmige Zellen (oder ihr innerer Hohlraum) im klaren Chalzedon sichtbar;  Bildbreite 0.85mm.

Abb.4 (unten):  Zeichnungen einiger gewundener Objekte, einschließlich jener aus Abb. 2 und 3, aus dem gleichen Fundstück, teilweise idealisiert zwecks besserer Sichtbarkeit. Man beachte deren Größe im Vergleich zu einem Gyrogonit aus [2].

Palaeonitella, Hüllen aus gewundenen Zellen
In Abb.2 liegen die gewundenen Zellen links und oben eng aneinander. Die scheinbaren Lücken sind dadurch vorgetäuscht, dass hier nur der innere Hohlraum der Zellen im Kontrast erscheint, aber rechts im Bild gibt es wirkliche Lücken. Anscheinend bestehen diese verdrehten Objekte aus 5 oder 6 gewundenen Zweigen (= Zellen), deren Anordnung keinerlei Symmetrie aufweist und keinen geschlossenen Raum bildet. Anscheinend formen die Zweige eine Art teilweiser Umhüllung. Da diese Objekte ungefähr die Größe der in [2] beschriebenen Antheridien haben, könnten es korbförmige Hüllen der Antheridien sein, die hier erstmals zu sehen sind.

Kann P. cranii so variabel sein und gelegentlich solche ungewöhnlichen Formen bilden oder ist es eine neue Art ? Letzteres wäre in Anbetracht der gängigen Meinung “there is no evidence of the presence of more than one species of charophyte in the Rhynie chert” [2], S. 451, eine interessante Neuigkeit.
Unabhängig davon können die Strukturen veranschaulichen, wie die Gyrogonite möglicherweise aus gewundenen Astquirlen entstanden sind: Im Laufe der Evolution könnten die Quirle, die die Oogonien schützten, sich zu lückenlosen Kapseln zusammengezogen haben, während jene, die die Antheridien umgaben, den altertümlichen Zustand teilweiser Umhüllung beibehielten.

H.-J. Weiss       2005

Anmerkung 2015, 2016, 2017, 2018:
Neue Funde vermutlicher Charophyten haben nicht dazu beigetragen, offene Fragen zu beantworten, sondern haben neue gestellt, siehe
Rhynie Chert News 48, 7374, 89,  90, 93, 106, 129 , 138, 139, 141

[1]  R. Kidston, W.H. Lang: On Old Red Sandstone plants … Part V,
    Trans. Roy. Soc. Edinburgh 52(1921), 855-902.
[2]  R. Kelman, M. Feist, N.H. Trewin, H. Hass : Charophyte algae from the Rhynie chert,
    Trans. Roy. Soc. Edinburgh, Earth Sciences 94(2004 for 2003), 445-455.
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