Jede der bisher entdeckten 7 frühen Landpflanzen im
unter-devonischen Hornstein von Rhynie, Schottland, hat mindestens ein
"Alleinstellungsmerkmal". Querschnitte mit einem dunklen konzentrischen
Ring mit Abstand vom Rand und aus fäulnisresistenten Zellwänden
bestehend ist typisch für die zuletzt entdeckte Ventarura
[1]. Was auf Querschnitten als Ring erscheint,
ist ein Hohlzylinder im Spross.
Die
Wirklichkeit ist nicht ganz so einfach: Der Ring ist oft nicht
geschlossen, er kann blass
statt dunkel sein, und er kann
so nahe am Rande sein, dass das Ganze mit einem hohlen
Halm von Aglaophyton
verwechselt werden kann, der häufigsten Pflanze im Rhynie Chert.
Infolge einer Besonderheit des Wachstums kann der zunächst kreisförmige
Ring halbmondförmig zusammengedrückt sein. Als seltene Ausnahme können zwei
konzentrische Ringe vorhanden sein.
Es ist auch zu beachten, dass der Ring oder das Rohr nur in den oberen
Teilen der Pflanze vorhanden ist, weshalb die unteren Teile nicht
leicht als Ventarura
zu erkennen sind. Einige der hier erwähnten Fakten und Schwierigkeiten
sind in Abb.1 mit 4 sehr unterschiedlich aussehenden Querschnitten
veranschaulicht,
Abb.1
(links außen): Ventarura-
Querschnitte mit oder ohne dunklen Ring.
Bildbreite 13.5mm.
Abb.2: Ventarura,
Ausschnitt aus dem Querschnitt in Abb.1 rechts, (von links nach
rechts):
Kutikula mit
einem teilweise geschwärzten Belag,
Außen-Cortex, zersetzt und geschrumpft,
ringförmiger Mittel-Cortex mit gut erhaltenen Zellwänden, teilweise mit
schwarzem Belag, zersetzter Innen-Cortex (hier dunkel), innerer
Hohlraum mit
bläulichem Chalzedon anstelle des verschwundenen Innen-Cortex
Die oft auffälligen dunklen Ringe (oder Hohlzylinder in 3D) waren
als Sklerenchym gedeutet worden [1], aber kürzlich neu gedeutet als
Auswirkung einer noch unverstandenen Resistenz
eines Teils des mittleren Cortex-Gewebes.
(Hier
werden die Bezeichnungen aus [1] benutzt, die das Gewebe zwischen
Leitbündel und Epidermis einteilen in Innen-Cortex, Mittel-Cortex,
Außen-Cortex.)
Obwohl der Anblick des typischen geschlossenen Ringes links in Abb.1
gestört ist durch einen großen dunklen Bereich des Innen-Cortex ohne
Relevanz, ist doch die Kombination von Ring und zerfurchtem Außenrand
ein starker Hinweis auf Ventarura.
Zufällig gibt es einen auffälligen dunklen Ring im Querschnitt
rechts in Abb.1, der bei oberflächlicher Betrachtung zur Deutung als
Ventarura
verleiten kann, bei genauerer Betrachtung jedoch als Innen-Cortex
erkennbar ist, hier ebenso uninteressant wie der dunkle Bereich im
Querschnitt links in Abb.1. Der Hinweis auf Ventarura
ist hier weniger auffällig: Der relevante Ring ist hier zwischen dem
geschrumpften Außen-Cortex und dem dunklen Rest des Innen-Cortex zu
sehen. Der Ring ist teilweise dunkel oder blass, besser sichtbar in der
Vergrößerung (Abb.2). Offenbar kommt das dunkle Aussehen eines Teils
des
Ringes nicht durch dickwandige Sklerenchym-Zellen zustande, sondern
durch einen schwarzen Belag auf den dünnen Wänden der Cortex-Zellen,
die hier als fäulnisresistenter Ring angeordnet sind.
Der schwarze Belag war nur lose mit
der Zellwand verbunden und konnte vor dem Verkieseln abblättern
[2]. Der schwarze Belag ist wahrscheinlich vom gleichen Typ wie jener,
der die Kutikula veranlassen kann, sich abzulösen und aufzuwickeln [2].
Zu
Entstehung und Zweck des im Querschnitt ringförmigen resistenten
Gewebeteils kann hier nichts gesagt werden. Neue Fragen ergeben sich
von merkwürdig deformierten Ringen (Abb.3,4).
Abb.3,4: Querschnitte von Ventarura mit
resistentem Ring, in eine Halbmond-Form gedrückt durch einen später
zwischen Ring und Außenrand gewachsenen neuen Spross.
Anscheinend war
ein neuer Spross im alten längs des äußeren Cortex gewachsen und hat
dabei das alte Gewebe so gleichmäßig beiseite geschoben, dass sich ein
neuer kreisförmiger Querschnitt ergab. Wahrscheinlich war der alte
innere Cortex schon teilweise zerfallen und leicht deformierbar. So
wurde der fäulnisresistente Ring halbmond- förmig, was große
Deformation während der Umformung bedeutet. Daraus folgt, dass der Ring
weich war, was ein weiteres Argument gegen die Deutung als Sklerenchym
ist.
In Abb.4 hat sich der neue Spross schon weiter ausgebreitet als der in
Abb.3. Der Vorgang kann so weit gehen, dass der alte Spross zu einer
Hülle oder Scheide für den neuen degeneriert.
Die Bildung neuer Sprosse in alten ist bei den ZosterophyllenVentarura
und Trichopherophyton
nicht
selten. Es ist nicht bekannt, wie dieser Vorgang beginnt. Er kann auch
im Innen-Cortex beginnen, so dass der resistente Ring, falls
vorhanden, kreisförmig bleibt, wie in Abb.5.
Abb.5: Querschnitt von Ventarura mit einem
kleinen neuen Spross im Innen-Cortex. Bildbreite 5.4mm
Von allen hier gezeigten Querschnitten ist der in Abb.5 am
wenigsten
rätselhaft. Mit runzeligem Außenrand infolge geschrumpftem und
teilweise verschwundenem Außen-Cortex und mit gut erhaltenem Ring des
Mittel-Cortex sind die typischen Merkmale von Ventarura
vorhanden. Die äußere Kontur ist durch einen schwarzen Belag auf der
Kutikula
verdeutlicht. Der Ring mit Zellstruktur ist teilweise dunkel oder
blass, ähnlich wie in Abb.1. Außerdem sieht man das Leitbündel, einen
neuen Spross mit kreisförmigem Querschnitt und eigenem Leitbündel, und
einige Reste des Innen-Cortex. Auch hier bleibt unklar, woher der neue
Spross kam und wie er endet.
Neue Sprosse sollen angeblich innen entlang abgestorbener Sprosse
gewachsen sein [3], aber dagegen gibt es mehrere fossile Belege. Damit
bleibt es rätselhaft, wie zusammengesetzte
Strukturen wie in Abb.3-5 und in Rhynie
Chert News 16
zu deuten sind.
H.-J. Weiss
2015
[1] C.L.
Powell, D. Edwards, N.H. Trewin:
A new vascular plant from the
Lower Devonian Windyfield chert, Rhynie, NE Scotland.
Trans. Roy. Soc. Edinburgh, Earth Sci.
90(2000 for 1999), 331-349.
[2] H.-J. Weiss:
Rhynie chert - Implications of new finds. EPPC 2014, Padua.
[3] D.
Edwards : Embryophytic sporophytes in the Rhynie and
Windyfield cherts.
Trans. Roy. Soc.
Edinburgh, Earth Sci. 94(2004 for 2003), 397-410.