Die unter-devonsichen Landpflanzen im Hornstein von Rhynie, meist in
Stadien des Zerfalls oder auch lebensnah, haben etwas gemeinsam: Nach
dem Zerfall des weichen Gewebes bleiben gewöhnlich manche Bestandteile
übrig:
das zentrale Xylem, die Sporenkapseln, die widerstandsfähigen Sporen,
und
gelegentlich die Epidermis mit Kutikula und einem schmalen Streifen
angrenzenden Rindengewebes. Diese Regel, die auf reichlich vorhandenem
Fossilmaterial beruht, musste mit der Entdeckung von Ventarura
[1] revidiert werden. Diese Pflanze hat ein einzigartiges
Strukturelement erfunden, auf Querschnitten als auffälliger
konzentrischer Ring mit gut erhaltener Zellstruktur sichtbar,
angeordnet im Rindengewebe zwischen Leitbündel und Epidermis in den
oberen Teilen der Pflanze (Abb.1).
Abb.1 (rechts):
Querschnitt von Ventarura,
4mm breit: verschrumpelte Außenseite, dunkler Ring mit gut erhaltener
Zellstruktur, beiderseits zersetztes Cortex-Gewebe, innen
Leitbündel, daneben Höhle anstelle verschwundenen
Gewebes, unter
Öl mit heraus kriechender Luftblase.
Abb.2 (links): Ventarura-
Fragment mit deutlich sichtbaren Zellen
des charakteristischen Ringes.
Die
als zylindrisches Rohr angeordneten gut
erhaltenen Zellen sind nicht immer mit scheinbar dunklen dicken Wänden
zu sehen, die zur Fehldeutung als Sklerenchym
verleiten. In Abb.2 sind sie meist dünnwandig.
Abb.3
(rechts unten): Ventarura,
vor dem Verkieseln hohl, außen wellig geschrumpft,
innen charakteristisches zylindrisches
Rohr 5mm,
ungewöhnlich bleich, 1/3 abgebrochen.
Offenbar gibt es die bleichen Rohre nur in
wenigen Funden (Abb.3-5), auch in solchen mit glatter Außenseite
(Abb.4,5).
Diese und andere Beobachtungen lassen vermuten, dass alle
diese Rohre zuerst bleich waren und später dunkel wurden.
Außerdem ist zu erkennen, dass das charakteristisches
zylindrische
Rohr seine Form behält, während das Gewebe innen und außen
verschwindet. Der nach dem Zerfall des Gewebes zwischen Rohr und
Epidermis frei gewordene Raum bleibt entweder leer oder füllt sich mit
mineralischen Abscheidungen oder verschwindet durch Eindellen der
Epidermis samt Kutikula.
Abb.4 (links): Ventarura
, Struktur und Erhaltungszustand untypisch: Querschnitt rund geblieben,
5.5mm, darin zwei blasse konzentische Ringe (Rohre) aus erhalten
gebliebenen Zellen, der innere nicht kreisrund, darin zwei Leitbündel,
mit Quarz ausgekleidete Hohlräume, die
beim Zerfall des Gewebes entstanden waren.
Die Anordnung von Rohren, auf Querschnitten in
Abb.4,5 sichtbar als konzentrische Ringe, der
innere unrund und dünn, passt nicht zum einfachen Fall
einer Gabelung wie in Rhynie
Chert News 3
veranschaulicht. Anscheinend hat Ventarura,
ähnlich wie Trichopherophyton,
die Fähigkeit, innerhalb alter Pflanzenteile neue Sprosse anzulegen: Rhynie
Chert News 82
.
Die Querschnitte der Rohre erscheinen nicht überall als
geschlossener Ring. Der größere Ring in Abb.5
hat unten eine Lücke. Man beachte auch die unterschiedlich dunklen
Teile.
Abb.5
(rechts): Ventarura-
Querschnitt, gleicher Spross wie Abb.4, aber weiter unten geschnitten.
Einige der Beobachtungen sind hier zusammengefasst:
- Vor dem Verkieseln waren die oberen
Teile von Ventarura entweder
verschrumpelt (Abb.1-3) oder glatt und zylindrisch (Abb.4,5).
- Die Epidermis ist meist nicht
erhalten geblieben, aber die Kutikula ist im Querschnitt als dünne
schwarze Linie erkennbar (Abb.2-5),
wahrscheinlich eine schwarz gewordene
Mikrobenschicht.
- Das charakteristische Rohr aus
fäulnisresistentem Gewebe, auf
Querschnitten meist als auffälliger dunkler Ring erscheinend (Abb.1),
kann auch blass und unauffällig
sein.
-
Das resistente Rohr hatte seine Form auch bei verschrumpelter
Oberfläche behalten (Abb.3) und sieht deshalb stabil aus.
(Die
Abweichung in Abb.1 ist eine seltene Ausnahme mit unbekannter Ursache.)
- Die scheinbare Steifigkeit des Rohres ist eine
Illusion infolge der sehr weichen Umgebung aus zerfallendem Gewebe.
- Als seltene Ausnahme gibt es zwei konzentrische Rohre, das
innere dünnwandig (Abb.4,5).
- Ungleichmäßig dicke Beläge an der Außenseite
(Abb.3-5) waren möglicherweise Kieselgel in
wässeriger Umgebung
mit hohem Anteil
mineralischer Einschlüsse.
Weil das Gewebe des resistenten Rohres weder mit der Epidermis noch mit
dem Zentrum verbunden ist, stellt sich die
Frage, wie und zu welchem Zweck es gebildet wurde. Deshalb verdienen
alle Funde von Ventarura
im Rhynie Chert besondere Beachtung, denn sie könnten zu einer
Erklärung führen. Es wäre auch interessant zu wissen, ob eine
rohrförmige Komponente dieses Typs einzigartig ist oder auch bei
anderen fossilen oder gegenwärtigen Pflanzen bekannt ist.
Es ist denkbar, dass die Pflanze einen röhrenförmigen Teil des
Cortexgewebes vergiftete,
um Eindringlinge abzuwehren, seien es Pilze oder saftsaugende Tiere.
Als Sekundäreffekt könnte das Rohr dadurch fäulnisresistent geworden
sein, so dass es überdauerte, während das umgebende Gewebe zerfiel. Die
dünnen resistenten Zellwände könnten mit Mikrobenschichten besiedelt
worden sein, die dicke Zellwände vortäuschen. Die scheinbar dicken
Zellwände hatten zu
der Annahme verleitet, das fäulnisresistente
Rohr bestehe aus Sklerenchym [1].
Ein fossiles Rohr anderen Typs, ein hohler Halm
mit oder ohne erhalten gebliebene Epidermis, ist oft bei Aglaophyton zu
sehen.
Fundstücke: Rh19/1 (60g) Part 2: Abb.1; Rh12/35
(0.15kg) Part 2: Abb.2; beide 2005 gefunden nahe Smithston;
Rh4/66 (0.16kg). Part 2: Abb.3,4, Part 3: Abb.5;
2009
gefunden nahe Smithston;
Anmerkung:: Die deutche Version entpricht der 2013 entstandenen und
zuletzt 2020 überarbeiteten englischen Version.
H.-J.
Weiss
2019
2020
[1] C.L.
Powell, D.
Edwards, N.H. Trewin: A new vascular plant from the
Lower Devonian Windyfield chert, Rhynie, NE Scotland.
Trans. Roy. Soc. Edinburgh, Earth Sci.
90(2000 for 1999), 331-349.