Welkende Nematophyten im Rhynie Chert
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(umgestaltete Version 2020)

Nematophyten, wörtlich "fädige Pflanzen", sind noch so wenig verstanden, dass sie in [1] unter "Rätselhafte Organismen" eingeordnet werden. Deshalb ist jede neu beobachtete Einzelheit möglicherweise wichtig und mitteilenswert.
Die gewöhnlich als kohlige Kompressionen vorliegenden kleinen Nematophyten lassen nur wenige Einzelheiten erkennen [2]. Bei 3D-Erhaltung in Hornstein gibt es mehr zu sehen. Aus den bisher im Rhynie Chert gefundenen wenigen Exemplaren sind schon einige Erkenntnisse abgeleitet worden. (Eigene Beiträge: siehe hier.)
Die Fäden erscheinen meist als leere Röhren oder Schläuche, wie in Abb.1. Es stellt sich die Frage, ob hier wirklich Röhren vorliegen oder nur röhrenförmige Hohlräume, übrig geblieben nach dem Verkieseln und nachdem der Organismus samt Röhren zerfallen und verschwunden war. Dem Aussehen nach wurden hier wirkliche deformierte Röhren in organischem Gel verkieselt.

Nematophyte: tangle of limpid tubesAbb.1: Nematophyt, Röhren in organischem Gel, unbekannte Art. Eine geknickte Röhre (oben links) bietet Hinweise auf mechanische Eigenschaften. Bildbreite 1.75mm.

Unabhängig davon, ob in Abb.1 Wandmaterial erhalten geblieben ist oder nicht, kann man auf mechanische Eigenschaften der Röhren vor der Verkieselung schließen. Eine Röhre bekam einen Knick (links oben), als sie durch Kontakt mit anderen gebogen wurde. Folglich muss sie aus einem Material mit merklicher Biegsamkeit und Festigkeit bestanden haben. Wäre sie viel spröder oder weniger fest gewesen, so wäre sie zerbrochen oder zerrissen. Das Gel muss so schwach gewesen sein, dass es das Knicken nicht verhinderte.

 
nematophyte

Abb.2: Nematophyt, unbekannte Art mit ungewöhnlich breiten Röhren bis 70µm, innen kleinere infolge Schrumpfens, gut ausgerichtet in organischem Gel. Bildbreite 1.4mm.

Die kleineren Querschnitte in einigen der größeren in Abb.2 sind problematisch. Sie können geschrumpfte Röhren sein, wobei das Kieselgel den alten Durchmesser konserviert hat. (Solches ist von fossilen Pflanzen bekannt, siehe Rhynie Chert News 31.)
Es kommt auch eine andere Möglichkeit in Betracht: Die kleineren Querschnitte sind vielleicht keine geschrumpften Röhren, sondern Zellplasma, das samt Hülle geschrumpft ist und sich dabei von der Wand gelöst hat.

Es bleibt die Frage, warum das Schrumpfen auf einige Röhren in einem Teil des Fundstücks beschränkt ist. Aus unbekannten Gründen war die Verkieselung ungleichmäßig schnell, so dass verschiedene Stadien des Zerfallsprozesses erhalten geblieben sind.
Das organische Gel, das die Röhren in einem kompakten Klumpen zusammenhält, links unten in Abb.2, ist rechts oben geschädigt und zerbrochen. Durch den Zerfall des Gels können einzelne Röhren sich im Wasser verstreuen und folglich
zusammenhanglos im Hornstein erscheinen.
Außerdem bemerkenswert in Abb.2 sind die Schnitte zweier großer Klumpen, bekannt von anderen Nematophyten als "medullary spots", die angeblich irgendwie die Röhren hervorbringen.

Abb.3 (unten): Nematophyt, gleiches Fundstück wie Abb.1. Rechts unten: Röhren in organischem Gel verkieselt. Links oben: Gel vor dem Verkieseln durch einen rätselhaften Prozess aufgelöst, der sich front-artig ausbreitete.  
Bildbreite 2.8mm.
 
 
nematophyteEine andere Weise des Zerfalls ist aus Abb.3 ersichtlich: Das organische Gel, das die Anordnung der Röhren stabilisierte und vor dem Austrocknen schützte, wurde vor dem Verkieseln durch einen rätselhaften Prozess aufgelöst, der sich front-artig ausbreitete, in Abb.3 nach rechts unten. Links oben blieben nur die zerbrochenen Füllungen der Röhren, die im Wasser schwebten und sich absetzten. Folglich hat es während der Fossilisation ein Stadium mit verkieseltem Röhreninhalt und unverkieseltem Gel gegeben. Der Endzustand der Fossilisation lässt anhand der Färbung erkennen, dass die Verkieselung innerhalb und außerhalb der Röhren und auch in den einzelnen Röhren unterschiedlich war,
Abschließend ist festzustellen, dass vor dem Verkieseln das organische Gel zwischen den Röhren zerreißen kann (wie in Abb.2) oder gänzlich verschwinden kann (wie in Abb.3). In beiden Fällen ergibt sich eine neue Anordnung der Röhren oder Füllungen.
Die hier vorgestellten Nematophyten sind wegen ihrer vergleichsweise riesigen Röhrendurchmesser bis 70µm höchst bemerkenswert.
Fundstücke: Rh13/7, 0.25kg, gefunden von S. Weiss  in 2005, Teil1: Abb.1,3.
                   Rh2/81, 0.63kg, erhalten von Shanks in 2003, Teil3: Abb.2.

H.-J. Weiss
     2011, 2016, 2020

[1]  T.N. Taylor, E.L. Taylor, M. Krings: Paleobotany, Elsevier 2009.
[2]  P. K. Strother: Clarification of the genus Nematothallus, J. Paleont. 67 (1993), 1090-94.

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