Gerade Linien auf Hornstein-Schnittflächen weisen auf interessante
Phänomene hin. Gewöhnlich geben sie die waagerechte Richtung während
der Verkieselung an, wie in Achaten, wo sie als Onyx oder
Uruguay-Bänder
bekannt sind. Die geraden Linien in den hier
abgebildeten seltsam geformten Querschnitten von Rhynia spotten
solcher Deutung. Sie erweisen sich als aufschlussreich für das
Verständnis der Verkieselung.
Seltsam
geformte Querschnitte von Rhynia
als Belege für Einzelheiten des Verkieselungsprozesses. Bildbreite 4mm.
Die terrestrische Vegetation nahe heißer Quellen in der
unter-devonischen Landschaft bei Rhynie wurde gelegentlich plötzlich
überflutet [1]. Das kieselsäurereiche Wasser gelangte in einen
übersättigten Zustand und wurde zu Gel. Im hier betrachteten Falle
geschah das, als die Rhynia
-Sprosse noch aufrecht standen und zylindrisch waren, mit noch
unbeschädigter
Epidermis als wirksame Diffusionsbarriere für Kieselsäure. Das
folgt daraus, dass sie noch nicht verkieselt waren, als das umgebende
Wasser es schon war. (Die Wände toter Zellen können auch für größere
Kieselsäure-Cluster durchlässig sein. Siehe
Rhynie Chert News 27.)
Anschließend
durchliefen die Sprosse einen Prozess unterschiedlich starker
Zersetzung, mit Erweichen und Schrumpfen, wobei die
widerstandsfähigere Epidermis ihre mechanische Festigkeit
behielt.
Der Querschnitt mit dem ungewöhnlichsten Aussehen lässt
sich am einfachsten erklären: Mit Ausnahme der Epidermis war das Gewebe
anscheinend so weit zersetzt, dass es der Deformation keinerlei
Widerstand entgegen setzte und sich damit wie eine Flüssigkeit
verhielt.
Betrachten wir nun die Folge der Schritte von der Kreisform zu der
seltsamen Form rechts im Bild. Längs der Epidermis hat sich
Schrumpfspannung aufgebaut, während diese am umgebenden Kieselgel
haftete. Diese Zugspannung längs des Umfangs gibt in Verbindung mit der
Krümmung eine radiale Zugspannung an der Grenzfläche zwischen Epidermis
und Gel. (Aus der Kräftebilanz folgt, dass die radiale Zugspannung
proportional
zum Verhältnis aus Dicke der Epidermis und Krümmungsradius
ist.) Die Spannung löste schließlich die Epidermis
an einer Schwachstelle der Grenzfläche vom Kieselgel ab. Ein kleiner
abgelöster
Bereich vergrößert sich durch Abschälen, wenn die Belastung die
Schälfestigkeit übersteigt.
Die Epidermis löste sich nur schwer von dem
umgebenden Gel ab und zog sich zwischen den
Ablösestellen selbst gerade. Man könnte einen Widerstand des Inneren
gegen das Geradeziehen erwarten, aber den gab es nicht, weil keine
Festigkeit mehr vorhanden war und auch das Volumen nicht erhalten
bleiben musste, da das Wasser langsam durch die Epidermis dringen und
vielleicht auch anderswo längs des Sprosses
entweichen konnte. Im Querschnitt rechts
im Bild hatte sich die Epidermis
an zwei Stellen abgelöst. Die abgelösten
Bereiche wurden größer, bis
sie sich trafen. Daraufhin relaxierte die
Spannung, während sich
die Ecke rundete.
Aus unbekannten Gründen hat sich die schrumpfende
Rhynia
im unteren Querschnitt leichter vom umgebenden Gel gelöst, und beim
linken oberen Querschnitt war die Verkieselung schneller als die
Zersetzung,
so dass dieser gut erhalten blieb.
Die
entstehenden Hohlräume waren immer mit Wasser gefüllt, das durch
Diffusion eindringen kann. Das folgt aus der Beobachtung, dass
keine Anzeichen von Luftblasen erkennbar sind. Da die
Kieselsäure-Moleküle viel größer sind als die Wassermoleküle, war die
Diffusion der Kieselsäure durch das umgebende Kieselgel in die
wassergefüllten Hohlräume so langsam, dass Pilzhyphen dort gedeihen
konnten, während die Konzentration der Kieselsäure niedrig war. (Eine
Hyphe ist undeutlich im oberen Hohlraum zu sehen. Sie endet an einem
weißen Fleck.) Als die Konzentration
der Kieselsäure in den Hohlräumen genügend hoch war, bildete sich eine
dünne Lage aus Gel als Auskleidung längs der Wände,
und der Pilzfaden bekam eine Ummantelung.
Die
Epidermis verlor allmählich ihre Eigenschaft als Diffusionsbarriere.
Die Kieselsäure konnte dann in das Gewebe eindringen und es im
jeweiligen
Stadium des Zerfalls konservieren. Mit immer mehr herbei
diffundierender Kieselsäure wurden die verbliebenen Wasserlöcher zu
Gel, und das wasserhaltige Gel wurde allmählich fester und schließlich
zu Hornstein. Der leichte Versatz, den der lange Riss rechts im Bild
bekam, als er durch den früheren Hohlraum lief, deutet vielleicht an,
dass die Verfestigung dort noch nicht abgeschlossen war.
Es sei erwähnt, dass Pflanzen und organische Reste
gewöhnlich zuerst
verkieseln, während das umgebende Wasser und der Mineralschlamm länger
flüssig bleiben. Das ist bekanntlich so, weil die leicht sauren
Zersetzungsprodukte organischer Stoffe die Ablagerung von Kieselsäure
begünstigen. Fundstücke mit nachweislich umgekehrter Reihenfolge der
Verkieselung wie im vorliegenden Falle zeigen an, dass das
kieselhaltige
Wasser übersättigt war und zu Gel wurde, bevor es in die Pflanzen
eindringen konnte.
Die Verkieselung der Pflanzen verzögert sich, wenn sie nach teilweiser
Überflutung weiter leben. Das ist wahrscheinlich beim vorliegenden
Fundstück mit mehreren hundert aufrechten
Rhynia-Sprossen
so gewesen. Die oberen Teile der meisten sind nicht in der
Hornsteinschicht enthalten. Anscheinend standen sie über dem
Wasserspiegel und konnten deshalb nach der Überflutung für einige Zeit
weiter leben und die Kieselsäure am Eindringen hindern.
Abschließend sei angemerkt, dass die Schlussfolgerungen aus
dem einen hier gezeigten Bild nicht als bloße Spekulationen gemeint
sind, sondern als gut begründet.
H.-J. Weiss
2008, ergänzt 2012
[1]
N.H. Trewin : The Rhynie cherts: an early
Devonian
ecosystem preserved by hydrothermal activity.
Scott. J. Geol. 28(1992), 37-47.