Titel und Bild könnten interessierte Leser abschrecken oder
neugierig machen, denn was man hier in der Luftwurzel eines
permzeitlichen Baumfarnes sieht, hat eher mit Chemie und Physik als mit
Fossilien zu tun. Mineralische Plättchen, wahrscheinlich
Barytkristalle, neben einer auffälligen mehrfach geknickten Linie
angeordnet, können zur Annahme eines versteckten Wirkprinzips
verleiten, sind aber hier rein zufällig vorhanden (Abb.1).
Es scheint eine nützliche Idee zu sein, die Plättchen einfach zu
ignorieren. Weitere
nützliche Ideen bestehen in den Annahmen ...
(1) ein schmaler Riss habe die gel-artig versteifte Luftwurzel
geradewegs durchquert,
(2)
im Spalt des Risses habe sich Kieselgel gebildet, das schneller zu
harter Substanz (Chalzedon, Quarz) verkieselte als die Umgebung,
(3)
die harte Füllung des Spaltes habe auf Druck von oben mit seitlichem
Ausknicken reagiert, besonders in einem kleinen Bereich noch
vorhandener Duktilität der Umgebung (Abb.1,2).
Abb.1: Seltsame
anorganische Struktur in einem Fossil. Bildbreite
2.2mm.
Abb.2: Äußere Luftwurzel des
Baumfarns Scolecopteris,
schwach deformiert, mit geknickter Rissfüllung, sichtbar als dünne
dunkle Linie. Bildbreite 11mm.
Genauer
betrachtet ist die Entstehung geknickter Risswege mit Problemen der
Kontinuumsmechanik befrachtet. Der im Querschnitt als dünne Linie
sichtbare Riss muss in einem weichen elastischen Material entstanden
sein, wahrscheinlich Kieselgel. Der
Spalt des Risses füllte sich mit sprödem silikatischem Material,
während die teilweise
verkieselte Umgebung noch einen Rest an Duktilität behalten hatte. Eine
rein elastische Umgebung würde an den Knickstellen sekundäre Risse
aufweisen. Die geknickte Linie in Abb.1,2, also der Querschnitt einer
geknickten flächenhaften Rissfüllung, ist demnach das nicht-triviale
Ergebnis
einer gemeinsamen Wirkung von Elastizität und Duktilität.
Nach dieser Abschweifung in die
Bruchmechanik sei nun
eine andere Luftwurzel im gleichen Fundstück aus paläobotanischer Sicht
betrachtet (Abb.3). Anders als
der besondere Riss in Abb.1,2 entstanden die Risse in Abb.3 im völlig
harten Material und sind deshalb hier uninteressant. Die großen
Aerenchymzellen, bis 0.5mm, waren mit Luft gefüllt und haben vermutlich
den Baum schwimmfähig gemacht. Viele sind hier gut erhalten, aber die
vergleichsweise winzigen Tracheiden im Leitbündel sind alle
zusammengedrückt.
Abb.3 (rechts): Äußere Luftwurzel des
Baumfarns Scolecopteris
mit
Aerenchym. Image width 11mm.
Weniger verwunderlich als die gefaltete harte
Füllung im permischen Hornstein (Abb.1) ist der geknickte steife Stab
im devonischen Hornstein (Abb.4), hier zum Vergleich.
Es ist das Xylem von Rhynia
, das sich wie ein dünner Stab unter senkrechter
Belastung verhält.
Während die übrigen
Pflanzenreste von der Last des Sediments sich ein wenig
duktil zusammendrücken ließen, wurde das steife Xylem
mechanisch instabil und
entlud die Spannungsenergie mit einem seitlichen Ausbruch, wobei zwei
Kinks
entstanden.
Abb.4 (links): Zwei Rhynia
im Längsschnitt, mit und ohne Kinks im Xylem.Bildbreite
5mm.