Ein Muster zweifelhafter Herkunft
Pflanzenquerschnitte
im unter-devonischen Hornstein von
Rhynie, Schottland, zeigen gelegentlich ein auffälliges Muster aus
schmalen
radial orientierten Löchern (Abb. 1). Diese Erscheinung ist von der
häufigsten
Rhynie-Pflanze, Aglaophyton,
wohl bekannt, und sie wurde auch in der
seltensten, Ventarura,
gefunden [1], die zu einem ganz anderen
Verwandtschaftskreis
gehört. Daraus ist auf eine Ursache zu schließen, die nicht in der
Pflanze
selbst begründet ist.
Abb.1: Radiale Anordnung von Hohlräumen in einem Querschnitt,
wahrscheinlich Rhynia,
ohne sonstige Anzeichen von Zerfall. Fotos:
Hagen Sahm
Abb.2 (rechts außen): Radiale
Anordnung von Hohlräumen im
Querschnitt, wahrscheinlich Aglaophyton.
Abb.3 (rechts): Ausschnitt von Abb.2, keine Anzeichen von zersetzten oder
zerrissenen Zellen an der "Rißspitze".
In [2] wird angenommen, das Lochmuster bestehe aus Schrumpfrissen
infolge Zersetzung der abgestorbenen Pflanze. Diese Annahme schien
dadurch gerechtfertigt, dass das Muster in zahlreichen schlecht
erhaltenen Querschnitten gefunden wurde, aber nicht in gut erhaltenen.
Nun kann anscheinend diese Annahme mittels eines einzigen Fundstücks
widerlegt werden (Abb.2). Obwohl das pflanzliche Gewebe nicht auf dem
ganzen Querschnitt gut erhalten ist, kann man doch erkennen, dass die
Zellen nahe der „Rißspitze“ des angeblichen Schrumpfrisses weder
zersetzt noch zerrissen sind, sondern einen gesunden Eindruck machen
(Abb.2,3). So erscheint die Annahme berechtigt, die Löcher
seien schon in der lebenden Pflanze vorhanden gewesen*, was eine
kompliziertere Erklärung erfordert.
Die zwei blassen
Chalzedon-Sphärolithe in der Höhle kommen
als Ursache nicht in Betracht. Sie müssen sich in dem bereits
vorhandenen Loch
gebildet haben.
Es gibt eine wahrscheinliche Erklärung, die auf folgenden
Fakten beruht:
- Pilzbefall kann abnormes Wachstum in heutigen
Pflanzen auslösen.
- Pilzbefall als
Ursache für abnormes Aufblähen ist aus dem Rhynie-Hornstein bekannt [3].
- Die
Rhynie-Pflanzen sind häufig von Pilzen befallen [4].
Folglich ist die Annahme naheliegend, das Lochmuster sei
durch abnormes Wachstum entstanden, ausgelöst durch chemische Reize
ausgehend von den im lebenden Gewebe verborgenen Pilzfäden.
Die Frage nach Wirkung oder Zweck dieses Phänomens kann
Anlaß zu wilden Spekulationen geben. Die Höhlen sind offenbar nicht von
Pilzen bewohnt, obwohl Pilzfäden im Rhynie-Hornstein
häufig anzutreffen sind. Wenn
ein Pilz die lebende Pflanze zur Bildung von Hohlräumen anregt, könnte
man vermuten, dieser ziehe auf
undurchsichtige Weise einen Nutzen daraus. Die Hohlräume könnten auch
für die Pflanze vorteilhaft sein, denn
sie ermöglichen, mit gleicher Menge an Substanz einen größeren
Querschnitt mit höherer mechanischer Stabilität zu erzeugen.
Das wäre ein seltsamer Typ von
Wechselwirkung zum gegenseitigen Vorteil.
H.-J.
Weiss