Psaronius /Scolecopteris – ein schwimmender Baumfarn ?
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Eine Idee anhand fossiler Belege 

Stämme und Wedel paläozoischer Baumfarne der Familie Psaroniaceae [1] haben aus einem praktischen Grund unterschiedliche Namen bekommen: Gewöhnlich findet man sie nicht zusammen, weshalb es fast unmöglich ist, eine Art zu definieren, die Stamm und Wedel umfasst. Außerdem können mehrere Arten im gleichen fossilen Biotop vorhanden sein, was ebenfalls die Zuordnung von Stämmen und Wedeln erschwert. Die Stämme werden Psaronius genannt, die Wedel heißen Pecopteris bei Erhaltung als Abdruck, andernfalls unterteilt man sie in mehrere Gattungen, einschließlich Scolecopteris. Der Name Psaronius dient jetzt auch zur Bezeichnung der ganzen Pflanze, aber die anderen Namen bleiben gültig. Die weltweit verbreitete Gattung Scolecopteris wurde von Millay [1] in 26 Arten unterteilt.
Eine Zeichnung von J. Morgan [2], die als mehr oder weniger repräsentativ für einige oder alle Arten Psaronius /Scolecopteris gilt, wurde wiederholt in Monografien nachgedruckt [3,4]. Diese Zeichnungen beginnen jedoch immer über dem Erdboden, obwohl anzunehmen ist, dass ein beträchtlicher Teil des Baumes darunter verborgen ist.
Jeder Versuch, den untersten Teil von Psaronius zu rekonstruieren, muss von der besonderen Struktur des Stammes ausgehen: Dieser besteht zum größten Teil aus offenbar zugfesten Luftwurzeln , die den Stamm herablaufen und mittels weichem Gewebe miteinander verwachsen sind. Der eigentliche Stamm, ohne die Wurzeln, ist am dicksten oben, wo er die Wedel trägt, aber sehr dünn nahe am Grund. Er ist dort so dünn wie er im jungen Zustand war, denn es gibt kein späteres Dickenwachstum. Es ist keine primäre Wurzel erhalten geblieben. Der ganze Baum ruht also auf seinen Luftwurzeln.
Ein Merkmal der Luftwurzeln ermöglicht weitreichende Schlussfolgerungen: Die nach unten wachsenden Luftwurzeln entwickeln, bevor sie den Grund erreichen, luftgefülltes Gewebe, das Aerenchym, wobei ihr Querschnitt stark zunimmt. Sie trennen sich allmählich voneinander und werden deshalb auch freie Luftwurzeln genannt.
Die freien Luftwurzeln sieht man wunderbar verkieselt auf Querschnitten des unteren Teils der großen Psaronius-Stämme in Museen [5], aber gewöhnlich findet man sie nicht im Boden verkieselt. Das könnte auf das Ereignis zurückzuführen sein, das vermutlich zur Fossilisierung der ansehnlichen Stämme führte: eine durch Vulkanausbruch erzeugte schwere Glutwolke, die mit hoher Geschwindigkeit (typisch ca. 400km/h) die Hänge hinab und dann im ebenen Gelände weiter lief, wobei sie die Bäume samt Lebensraum fort riss und die Wurzeln zusammen mit dem weichen Boden oder Schlamm verstreute. So wird es verständlich, dass die großen im Naturkunde-Museum Chemnitz ausgestellten Psaronien nicht zusammen mit den zugehörigen übrigen Teilen verkieselt gefunden wurden.
Glücklicherweise gingen der Fossilisierung der Baumfarne nicht immer katastrophale Ereignisse voraus, so dass gelegentlich alle Teile des Baumes, nämlich die freien Luftwurzeln im Boden, die Stämme mit den verwachsenen Luftwurzeln, und das Blattwerk, im verkieselten Sumpf zu finden sind. Zahlreiche Hornsteine, die einen nassen Lebensraum mit Schichten aus Torf und Schlamm repräsentieren, nahe oder an der Oberfläche liegend verkieselt, wurden in letzter Zeit im Döhlener Becken (Unter-Perm) gefunden. Häutungsreste des wasserbewohnenden Kleinkrebses Uronectes und Mikrobenschichten zwischen den Resten von Psaronius / Scolecopteris belegen, dass nicht nur nasser Boden vorhanden war, sondern auch freies Wasser. Teilweise enthalten diese Hornsteine Luftwurzeln (Abb.1,2), von denen einige nicht zusammengedrückt sind.
Luftgefüllte Psaronius-Luftwurzeln waagerecht im Sumpf
Abb.1: "Freie" Luftwurzeln von Psaronius im Schlamm, mehr oder weniger gedrückt vor dem Verkieseln, Aerenchym (luftgefülltes Gewebe) hier nicht gut sichtbar, unten Torfschichten aus zusammengedrückten Wurzeln. Typuslokalität des "Madenfarns" Scolecopteris, Döhlener Becken, Unter-Perm. Bildbreite 9cm.
Psaronius-Luftwurzel mit Luftgewebe
Abb.2 (rechts): "Freie" Luftwurzel von Psaronius, Querschnitt mit  Aerenchym (Luftgewebe),  Luftgänge bis 0.5mm breit.
Bildbreite 1.5cm.

Fundort: Typuslokalität des "Madenfarns" Scolecopteris elegans an der Flurgrenze zwischen Kleinnaundorf und Burgk, Döhlener Beckcn.
Fundstücke: Abb.1: Bu13/31.3 , Abb.2: Bu13/35.2 ,1998 gefunden im Grundstück Kohlenstr. 8.
Die Bergung dieser und zahlreicher weiterer Fundstücke wurde durch das Interesse von Familie Beyreuther gefördert.

Es drängt sich der Gedanke auf, das Gewirr aus verzeigten luftgefüllten freien Luftwurzeln könnte in weichem Mineralschlamm und sogar in organischem Schlamm oder freiem Wasser genügend Auftrieb haben, um den ganzen Baum zu tragen. Das wäre zweifellos ein Vorteil oder vielleicht eine Voraussetzung für das Wachsen von Bäumen auf schwankendem Grund. Da günstige Varianten gewöhnlich von der Natur verwirklicht werden, sind die Besonderheiten eines solchen Designs eine Betrachtung wert. Eine Besonderheit ist aus Abb.3 ersichtlich.
schwimmender Baum im Sturm
Abb.3: Vorteil eines schwimmenden Baumes im Sturm:
Wird nicht entwurzelt und bricht nicht ab.

Falls es unter den zahlreichen Psaronius -Arten wirklich schwimmende Bäume gab, wie muss man sich ihr Wachstum vorstellen ? Die Antwort ist in Fig.4 veranschaulicht. Der Baum sinkt ein, während er wächst, wobei der Auftrieb so zunimmt, dass er mit dem zunehmenden Gewicht im Gleichgewicht ist. Das mag erklären, warum der unterste Teil des Stammes mit dem winzigen Zentrum aus der Zeit des frühesten Wachstumsstadiums niemals auf den großen polierten Stammquerschnitten zu sehen ist, die in Museen ausgestellt sind [5]: Dieser älteste Teil der Pflanze war sehr wahrscheinlich schon abgestorben und verschwunden, bevor der Baum groß war.
Psaronius als schwimmender Baum im GleichgewichtAbb.4: Denkbares Design eines schwimmenden Psaronius:
Das Gleichgewicht des wachsenden Baumes ist durch entsprechendes Einsinken gewährleistet, hier angedeutet durch den Pfeil, der am Stamm befestigt sein soll.
Das breite Floß aus luftgefüllten Wurzeln verhindert das Umfallen.

Beschriftung rechts:
Zentrum, wird nach oben breiter,
innere + äußere Wurzeln, den Stamm bildend,
äußere Wurzeln, das Floß bildend,
ältester Teil, möglicherweise zerfallen.

                H.-J. Weiss       2011

[1]  M.A. Millay: A review of permineralized Euramerican Carboniferous tree ferns. Rev. Palaeobot. Palyn. 95(1997), 191-209.
[2]  J. Morgan: The morphology and anatomy of American species of the genus Psaronius. Illinois Biol. Monogr. 27(1959), p1-108.
[3]  W.N. Stewart, G.W. Rothwell:  Paleobot. and the Evolution of Plants. Cambridge Univ. Press 1993, p228.
[4]  T.N. Taylor, E.L. Taylor, M. Krings:  Paleobotany, Elsevier 2009, p418.
[5]  R. Rössler: Der versteinerte Wald von Chemnitz. Museum für Naturkunde Chemnitz, 2001.
Scolecopteris pinnule cross-section, Sardinia Permian Chert News7

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