In der ersten Veröffentlichung zu den verkieselten frühen Landpflanzen
wurden zwei Arten, jetzt bekannt als Aglaophyton major
und Rhynia
gwynne-vaughanii, als nur eine Art gedeutet und mit dem
letzteren Namen benannt [1]. Als man den Irrtum bemerkte, bekam die
größere den Namen Rhynia
major. Man hielt sie für größer und anders gestaltet als
sie wirklich ist. (Siehe die Zeichnung links.)
Es kann als ein Lehrstück über die zuweilen absurden Umwege zur
Erkenntnis gelten, dass die falsche Vorstellung von der Gestalt dieser
Pflanze dem deutschen Paläobotaniker Zimmermann
eine große Idee
aufkeimen ließ. Das Ergebnis war die sogenannte Telom-Theorie der
Evolution der Landpflanzen [2]. Diese wurde und ist jetzt noch weltweit
bekannt, aber auch umstritten. Seine Gedankenkonstruktion einer
Urpflanze sollte die einfachsten frühen Landpflanzen repräsentieren. So
kam es unerwartet, dass die wirkliche Pflanze sich als noch einfacher
erwies als die daraus abgeleitete Modellpflanze.
Nach D.S. Edwards
wächst sie in nur eine Richtung, nämlich aufwärts bis
zum Umfallen, bildet, wo sie den Boden berührt, einzellige Wurzelhaare
(keine Wurzeln), und wendet sich wieder nach oben [3]. Dieser Gedanke
ist nicht ganz abwegig, denn die weiter wachsende Pflanze müsste
schließlich umfallen,
wenn sie nicht den Trick erfunden hätte, absichtlich in kleinem Bogen
nach unten zu wachsen. Letzteres folgt aus den kleinen Krümmungsradien
abwärts gerichteter Bögen von 1.5cm oder noch weniger. Wie in der Zeichnung rechts angedeutet, kommt die Form der Pflanze
einfach durch wiederholte Gabelung* zustande, wobei eine oder zwei Zinken der
unteren Gabeln gezielt nach unten wachsen, den Boden berühren, und so
weiter wie oben beschrieben. Das Wachsen nach unten erinnert an das
Verhalten von Wurzeln. Vielleicht hat man hier ein anschauliches
Beispiel für die Entstehung von Wurzeln im Verlaufe der Evolution.
Nach Dianne Edwards
[4] war die Umbenennung in Aglaophyton durch David S. Edwards [3] nicht gerechtfertigt, und die Einordnung außerhalb der Tracheophyten ist zweifelhaft. Es hat lange gedauert, bis die wesentlichen Merkmale der häufigsten
Pflanze der berühmten Fundstelle erkannt waren. Der Grund dafür besteht
darin, dass der Hornstein im wesentlichen isotrop ist und deshalb keine
Spaltflächen mit Abdrücken ganzer Pflanzen bildet, weshalb die Gestalt
schwer erkennbar bleibt. Die Rekonstruktion anhand dünner Scheiben oder
durch schichtweises Abtragen des Hornsteins ist mühsam, auch weil die
Pflanzen meist als unübersichtliches Gewirr abgestorbener und lebender
Exemplare
verkieselt wurden.
Bei dieser Sachlage wäre es nicht überraschend, wenn
die Rekonstruktion von Aglaophyton
später noch weiter verändert werden
müsste.
*Ergänzung: Nach
anderen und eigenen Beobachtungen kann diese Pflanze sich nicht nur
mittels Gabelung verzweigen, sondern im unteren Bereich auch mittels
Knospen, die zu seitlichen Sprossen mit Rhizoiden auswachsen. (Siehe Rhynie
Chert News 52). Deshalb kann diese Pflanze unten mehr verzweigt sein als in der Zeichnung rechts, die das Prinzip des Abwärts-Wachsens
veranschaulichen soll. Außerdem ist zu erwähnen, dass die
Aufwärts-Bögen meist nicht deutlich U-förmig sind, sondern mehr so
geformt wie in
der Zeichnung von 1986.
H.-J.
Weiss
2007, ergänzt 2014
[1] R.
Kidston, W.H. Lang
: On Old Red Sandstone plants
showing structure from the Rhynie Chert bed, Part I,
Trans. Roy. Soc. Edinburgh 51(1917),
761-84.
[2] W.
Zimmermann
: Die Phylogenie der Pflanzen, 1930, 2.
Aufl. 1959.
[3] David
S. Edwards, Aglaophyton
major, a non-vascular land-plant from the Devonian Rhynie
Chert,
Bot. J. Linn. Soc. 93(1986), 173-204. [4] Dianne Edwards: Embryophytic sporophytes in the Rhynie and Windyfied cherts,
Trans. Roy. Soc. Edinburgh, Earth Sci. 94(2004 for 2003), 397-410.