Eine Qualle problematischer Einordnung
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Permian yellyfish on laminated chert Gesammeltes Wissen über fossile und lebende Arten hilft gewöhnlich bei dem Versuch, auf Oberflächen oder Schnittflächen fossilführender Hornsteine Neues zu entdecken. Der vorliegende Fall war anders: Das besondere Objekt nahe dem kreisförmigen Abdruck einer Qualle, das wie ein Polyp aussieht, war mit einem neugierigen Blick auf das Fundstück (Abb.1) entdeckt worden, aber Leute mit Quallen-Erfahrung sahen es nicht, auch nicht nach der Mitteilung, dass es auf dem Fundstück vorhanden ist. Das macht es um so interessanter. 

Abb.1: Bruchfläche eines geschichteten Hornsteins, Sediment eines Binnensees, wahrscheinlich Unter-Perm, Kiesgrube Nobitz, Sachsen, anscheinend mit Polyp und Meduse einer Qualle. Bildbreite 6cm. 

Medusen ähnlicher Größe waren schon mehrmals an anderen Stellen in Europa in feinkörnigen permischen Sedimenten gefunden und als Süßwasserquallen der Art
Medusina limnica beschrieben worden [1].
 
Es sei hier erwähnt, dass Quallen in Hydrozoa, Cubozoa, und Scyphozoa eingeteilt werden, und dass ihr Lebenszyklus meist die Stadien Polyp und Meduse durchläuft. Der Übergang vom Polyp zur Meduse ist unterschiedlich und charakteristisch. Weil bisher kein Polyp gesehen worden war, hat man
Medusina den Hydrozoa zugeordnet. Im vorliegenden Fundstück ist der Polyp am unteren Rand von Abb.1 blass und verkehrt herum sichtbar, in Abb.2 vergrößert und aufrecht.  
Permian jellyfish polyp
permian jellyfish polyp drawing





Abb.2 (links): Ausschnitt aus Abb.1, hier
gedeutet als Polyp vor dem Abtrennen eines oberen Teils, der eine  Meduse werden soll. Höhe des Polyps 11mm.

Dieser Polyp mit seiner Trennschicht aus speziellen Zellen, hier als dünne waagerechte Linie in Abb.2, ermöglicht die Zuordnung. Polypen der Cubozoa wandeln sich als Ganzes in die Meduse um. Polypen der Hydrozoa erzeugen Medusen durch Knospung. Beides passt nicht zu Abb.2. Nur die Polypen der Scyphozoa (Schirmquallen) bilden Trennschichten, um nacheinander jeweils den Oberteil abzutrennen, der zur Meduse wird.
Das veranlasst zur Deutung der vorliegenden Meduse samt Polyp als Schirmqualle. Alle heutigen Schirmquallen sind jedoch Meerestiere, und dieses Fossil liegt in Kieseltorf zusammen mit Teilen von Landpflanzen, darunter parallelnervige Blätter von Bäumen. Der scheinbare Widerspruch könnte sich mit der Annahme auflösen, das Meerestier habe in einem salzigen Binnensee mit eingeschwemmten Resten von Landpflanzen gelebt.
Das gelöste SiO2 für die Verkieselung war wahrscheinlich eine Folge des verbreiteten Vulkanismus im Unter-Rotliegend Sachsens [3].

Wenn das vorliegende Fossil wirklich eine Schirmqualle ist, dann ist es die erste außerhalb des Meeres gefundene [geändert, siehe Ergänzung]. Bedenkt man, dass es in jenen Zeiten in Sachsen salzige Binnenseen gab [4], ist das nicht unwahrscheinlich. Die Deutung dieses Fossils als Schirmqualle führt auf die Frage, ob einige oder alle der als Hydrozoen gedeuteten fossilen Medusen der Gattung Medusina Scyphozoen sind. (In [2] wird der Begriff "Hydromeduse" für Medusina vermieden.)

Das Fundstück, ein grob 4-seitiges Bruchstück einer Hornsteinschicht, 0.85kg, mit glänzend schwarzen Seitenflächen wie üblich an den Hornsteinen von Nobitz, war 2007 von Sieglinde Weiss wegen der blassen runden Flecke aufgelesen worden. (Ein anderer einmaliger Fund aus jener Kiesgrube ist in Fossil Wood News 10 vorgestellt.) Bei genauerer Betrachtung wurde 2008 die dünne Trennlinie in Abb.2 gesehen und so der Polyp entdeckt. 
Weil eine Trennlinie nicht zur etablierten Vorstellung permischer Hydromedusen passte, vermuteten Paläontologen, die Linie sei nur ein Riss. Dem widerspricht die Beobachtung, dass ein (kaum sichtbarer) Riss rechts die Trennlinie berührt, aber nicht dieser folgt, sondern weiter läuft als sei die Linie nicht vorhanden. Es gibt also hier keinen Hinweis, dass die dünne Linie ein früherer Riss sein könnte.
Es wird empfohlen, alle Fundstücke mit angeblichen Hydromedusen erneut anzusehen, um mehr dieser unauffälligen und leicht zu übersehenden Polypen zu finden.

H.-J. Weiss     2017 


Ergänzung Nov. 2017:
Das längliche Gebilde in Abb.2 ist geformt wie ein Polyp und hat eine Trennlinie wie ein Polyp, der eine Meduse abtrennen will, was zu der Annahme berechtigt, es sei wirklich ein Polyp. Vor einigen Jahren hatte J. Schneider nach eingehender Inspektion die Kreise in Abb.1 als "Fruktifikation, wahrscheinlich Cardiocarpus" gedeutet und den Polyp als "SiO2-Schliere". Das muss hier erwähnt werden, weil er seine Deutungen jetzt
mit emotional aufgeladener Sprache erneut propagiert, zu "Fakten" aufwertet und unter Paläontologen als Serien-Mail verbreitet (24.10.2017): Jede Diskussion scheuend sagt er, Meduse und Polyp seien "galoppierender Unsinn, grausam, Unfug", was den Anlass gibt, das Original noch einmal genau anzusehen.
Runde Fruktifikationen sind glatt, aber die hier vorliegenden runden Abdrücke sind innen unübersichtlich buckelig, wahrscheinlich infolge der verschobenen inneren Struktur der Meduse. J. Schneiders Deutung von Abb.2 als Kieselgel-Schliere ist als Ergebnis mangelhafter mentaler Bildverarbeitung zu verstehen, vielleicht kombiniert mit einer Abneigeng gegen Polypen von Scyphomedusen, die seine Deutung der permischen Qualle Medusina als Hydromeduse [5] zweifelhaft erscheinen lassen. Die Information, Medusina sei schon seit mehr als einem Jahrhundert manchmal als Scyphomeduse (Schirmqualle) eingeordnet worden [6], wurde jetzt unerwartet zugänglich. Es bleibt zu ergründen, ob der zugehörige Polyp auch damals gefunden worden war.
Da es sich gezeigt hat, dass J. Schneider über fossile Belege
spottet, wenn sie seinen Vorstellungen widersprechen, kann man ihn nicht ernst nehmen.

[1]  D. Schüppel: Abdrücke von Hydromedusen aus dem Unterrotliegenden des Erzgebirgischen Beckens, Freiberger Forschungshefte C395 (1984), 38-46.
[2]  H. Kozur: die Verbreitung der limnischen Meduse Medusina limnica Müller 1978 im Rotliegenden Mitteleuropas. Paläontolog. Z. 58(1984), 41-50.
[3]  H. Walter: Das Rotliegend der Nordwestsächsischen Senke. Veröff. Naturkundemuseum Chemnitz 29(2006), 157-176.
[4]  J. Schneider, U. Gebhardt: Dasycladaceen und andere "marine" Algen in lacustrischen Kalken des Unter-Perm (Assel) im intermontanen Döhlen-Becken.
        Freiberger Forschungshefte C445 (1992), 66-88.
[5]  J.W. Schneider et al.: CPC-2014 Field Meeting Excursion Guide, Wiss. Mitt. Inst. f. Geologie 46, Freiberg 2014.
[6]  S. Stamberg, J. Sajiz: Carboniferous and Permian faunas and their occurrence in the limnic basins of the Czekh Republic (2008), 39.
        Museum of Eastern Bohemia, Hradec Kralove.
Scolecopteris pinnule cross-section, Sardinia Permian Chert News16

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