Aglaophyton
verzweigt
Zeichnungen zu Aglaophyton
(früherer Name Rhynia major), oft mehrfach
umgezeichnet, gibt es in
vielfältigen Versionen. Die frühen Versionen [1] sind weitab von der
Wirklichkeit, werden aber gelegentlich immer noch als
das Wahre
angeboten. Andere wollten offenbar das wellenartig kriechende Wachstum
auf die denkbar einfachste Weise erklären, der zufolge ein Spross
aufwärts wuchs, bis er unter der eigenen Last umfiel, mit der Spitze
den Boden berührte, dort Rhizoide bildete, dann sich wieder nach oben
wandte und aufwärts wuchs [2]. Bei dieser Folge
der
Ereignisse war das Umfallen falsch ausgedacht und wird hier durch
abwärts gerichtetes Wachstum ersetzt [3].
Der in
[2] vertretene Gedanke, dass es keinen wesentlichen Unterschied
zwischen wellenartig kriechenden und aufrechten Achsen gibt,
weil
beide Stoma haben und ihre Querschnitte gleich aussehen, scheint der
Wirklichkeit näher zu kommen als die Unterscheidung in rhizom-artige
und aufrechte Achsen in [4]. Die Verzweigungen in anderen Zeichnungen
dieser Pflanze variieren von V-förmig mit sehr
kleinem
Winkel bis breit U-förmig wie in Wirklichkeit. Eine Charakterisierung
der U-Form als "Gabelung mit einem Winkel zwischen
60°
and 90° "
[4] gibt zunächst keinen Sinn, denn es ist nicht klar, was mit "Winkel
der U-Form" gemeint ist, abgesehen von 180° ganz unten und 0° weit
oben.Wegen der verwirrend unterschiedlichen Auffasssungen ist eine
erneute Betrachtung nützlich.
Abb.1: Schnitt einer aufrechten Gabel von Aglaophyton, innen
hohl, auf einer natürlich glatten Bruchfläche eines alten Bruchstücks
einer Hornsteinschicht ,
Eine deutliche Gabel ist ein seltener Anblick unter den vielen
Schnitten von Aglaophyton
an der Oberfläche oder auf Schnittflächen der Fundstücke. Der Grund
daür ist offensichtlich: Die
Gabel ist nur dann als solche auf einer glatten Fläche zu
sehen,
wenn diese ungefähr in einer der zwei Symmetrieebenen der Gabel liegt,
was ein seltener Zufall ist. Die
Gabel in Abb.1 liegt nicht ganz ideal, denn die Zweige verlassen die
Fläche bevor sie parallel werden, so dass der Schnitt mehr wie ein Y
aussieht. Außerdem ist der zentrale Strang nicht zu sehen. Die Pflanze
war vor dem Verkieseln teilweise hohl, was als heller gegabelter
Streifen sichtbar ist.
Abb.2 (rechts): Zwei Seitenzweige an einer aufstrebenden
Aglaophyton-Achse,
gut sichtbar an einer natürlich geglätteten Bruchfläche eines alten
Bruchstücks einer 6cm dicken Hornsteinschicht. Bildbreite
20mm.
Es zeigt sich, dass Gabelung und Wachsen nach
unten nicht die einzigen Mittel sind, mit denen
Aglaophyton sich
ausbreiten kann. Die selten anzutreffende seitliche Abzweigung ist eine
weitere Möglichkeit [5]. In Abb.2 sieht man ein ungewöhnliches Beispiel
mit zwei seitlichen Abzweigungen in gleicher Richtung, offenbar
ausgehend von zwei nahe benachbarten Knospen an der Hauptachse.
Abb.3,4 (unten): Aglaophyton:
Abzweigungen und zugehörige Zeichnung, Ausschnitt von Abb.2. Man
beachte die schmalen Verbindungsstellen ohne Trenngewebe und den
schrägen Längsschnitt des Leitbündels der Hauptachse ohne Andeutung
einer Abzweigung. Breite der Hauptachse 4mm.
Das in Abb.2-4 sichtbare Stück Leitbündel
ist gerade, so dass es hier sehr wahrscheinlich keine versteckten
Abzweigungen in die Seitenzweige gibt. Anscheinend bilden die
Seitenzweige ihr eigenes Leitbündel, wodurch die seitliche Verzweigung
sich wesentlich von der Gabelung unterscheidet.
Kleine
Ansammlungen von Rhizoiden sieht man an der Hauptachse in Abb.1 und am
unteren Seitenzweig. Auch am oberen Seitenzweig gibt es Rhizoide, aber
kaum sichtbar. Wegen Platzmangels wachsen sie auch längs des Spaltes
zwischen den Zweigen (Abb.5). Diese besondere Anordnung mit einem
gleichmäßig breiten Spalt it wahrscheinlich zufällig und wäre nicht
erwähnenswert, wenn sie nicht eine Schlussfolgerung nahelegen würde:
Das Wachsen der Rhizoide erfordert nicht Kontakt mit dem
Boden.
Anscheinend ist es an den Beginn des Aufwärts-Wachsens an der untersten
Stelle einer Achse oder eines Zweiges gekoppelt.
Abb.5 (rechts): Aglaophyton: Rhizoide,
längs des Spaltes zwischen nahe benachbarten Seitenzweigen gewachsen.
Ausschnitt aus Fig3, Spaltbreite 0.16mm.
Die kleinflächige Ansatzstelle der Zweige, das anscheinend neu
gebildete Leitbündel in den Zweigen, und die Rhizoide am Beginn lassen
die Zweige wie Ableger erscheinen. Das Fehlen von Trenngewebe scheint
anzudeuten, dass die Zweige nicht abbrechen und durch Wind und Wasser
verbreitet werden sollten, sondern der Bildung dichter
Bestände dienten.
Die hier und anderswo gezogenen Schlussfolgerungen aus den
fossilen Befunden bestätigen oder widerlegen teilweise die gängigen
Ansichten zu Aglaophyton :
(1) Die Idee, Aglaophyton wachse
bis zum Umfallen und bilde Rhizoide, wenn die
Spitze den
Bodens berührt [2], ist nicht richtig.
(2) Ein aufwärts gerichteter
Spross kann in einem Bogen nach unten wachsen
[3], was anscheinend von keiner anderen Pflanze bekannt ist.
(3) Aus
Knospen ohne Verbindung zum Leitbündel können
Seitenzweige entstehen [5].
(4) Rhizoide wachsen auch ohne Kontakt mit dem
Boden.
Die hohle Gabel in Abb.1 verbindet zu einer ganz anderen Beobachtung.
Der Hohlraum ist
offenbar ein Schaden im Gewebe. Dieser wurde als Schrumpfung oder
Zerfall des abgestorbenen Pflanzenteils gedeutet [4]. Das mag manchmal
oder oft richtig sein, aber es müssen hier auch andere Ursachen
beteiligt sein.
Eigenartige angeordnete Höhlen in Aglaophyton
lassen sich nicht durch Schrumpfen oder Zerfall erklären. Sie müssen in
der lebenden Pflanze durch fehlgesteuertes Wachstum entstanden sein
[6].
Diese Schlussfolgerung ergibt sich aus der Beobachtung gleicher
Lochmuster in den Zweigen einer Gabel, die sich nicht unabhängig
voneinander zufällig gebildet haben konnten. Sie müssen im gemeinsamen
Stamm unterhalb der Gabelung vorhanden gewesen und von dort in
die
Zweige gelangt sein [7].
Verträglich mit dieser Deutung obwohl weniger überzeugend als die
erwähnten Beispiele [6,7] ist Abb.1, wo ein einfacher Hohlraum sich mit
dem Spross zusammen gabelt.
H.-J. Weiss
2013 2015
[1] R.
Kidston, W.H. Lang
: On Old Red Sandstone plants
showing structure, from the Rhynie Chert bed, Part IV,
Trans. Roy. Soc. Edinburgh 52(1921),
831-54.
[2] David
S. Edwards, Aglaophyton
major, a non-vascular land-plant from the Devonian Rhynie
Chert,
Bot. J. Linn. Soc. 93(1986), 173-204.
[3] www.chertnews.de , Rhynie
Chert News 14
[4] www.abdn.ac.uk/rhynie
[5] W.
Remy, H. Hass: New information on gametophytes and
sporophytes of Aglaophyton
...,
Rev. Palaeobot. Palyn. 90(1996),
175-93.
[6] www.chertnews.de , Rhynie
Chert News 4
[7] www.chertnews.de , Rhynie
Chert News 21
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